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23/04/2009

Der Einzelgänger Otto Mueller in der Galerie Nierendorf

Die am Freitag startende Ausstellung in der Galerie Nierendorf zeigt einen Querschnitt des Gesamtwerkes des bekannten deutschen Künstlers Otto Mueller (1874-1930). Seit 1920 vertritt die renommierte Galerie im Westen Berlins den Einzelgänger unter den Brücke-Künstlern (zu sehen vom 24. April - 9. Oktober 2009).

Das erste Mal zeigte die Galerie Nierendorf 1927 Farblithografien des Künstlers, nur einige Blätter aus der Zigeuner-Serie. Seit dem Neubeginn der Galerie 1955 ist das Werk Otto Muellers ein zentrales Anliegen der Tätigkeiten des Galeristen Florian Karsch. Als leidenschaftlicher Sammler der Grafik publizierte er 1974 das grafische Gesamtwerk des Künstlers als Ausstellungskatalog zu Muellers 100. Geburtstag, ein wichtiges Nachschlagewerk zu Otto Muellers Schaffen. Seit 1957 gab es sieben Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie Nierendorf. Dies ist nun die 8. „Ausgabe“.

14/04/2009

Vielbeachtung für Graffiti-Ausstellung in Paris

„Tag“ - Ausstellung vom 27. März bis 26. April 2009 im Grand Palais, Paris

Die einmalige private Sammlung des Architekten Gallizia umfasst 300 Arbeiten von 150 Graffiti-Künstlern aus drei Generationen, aus aller Welt und versucht die Stilgeschichte des Graffitis zu erfassen. Die Sammlung wird nur einen Monat lang in einem der renommiertesten Ausstellungsorte in Paris gezeigt: in einem Seitenflügel des Grand Palais.

[caption id="attachment_1094" align="alignleft" width="247" caption="Katalog zur Ausstellung © K. Hermann"]Katalog zur Ausstellung © K. Hermann[/caption]

Graffiti erscheinen in einer Vielzahl von Ausprägungsformen. Bei den in Paris ausgestellten Werken handelt es sich um Auftragsarbeiten auf Leinwand. Die Größe der Leinwände und das Thema wurden von dem Architekten Alain-Dominique Gallizia, Liebhaber der Graffitikunst und Initiator des Projektes vorgeschrieben. Auf 60 x 180 cm durften sich die sogenannten internationalen Writer zum Thema und zum Wort Love austoben, wenn möglich in Gallizias Banlieue-Atelier in Boulogne-Billancourt bei Paris.

Durch die thematische Vorgabe sowie die definierte Fläche wurde den auserwählten Künstlern Schranken gesetzt, die sie im Ausüben ihrer Kunst selten erleben. Der Writer musste hier auf kleiner Fläche seinen eigenen Stil klar definieren und seine „Handschrift“ deutlich erkennbar machen. Die Leinwand ist unten links durch das Signaturkürzel oder Pseudonym, das „Tag“ signiert und das eindeutig den Autor identifiziert. Daher vielleicht auch der Titel der Ausstellung, der zur Konfusion führt: Tag und nicht Graffiti. Tag steht hier sicherlich nicht für den falsch angewendeten Allgemeinbegriff für Graffiti, sondern für die Signatur der Autoren, die hier geehrt werden sollen. Durch die Ansammlung der Werke entsteht ein Panorama verschiedener Stile und Techniken, die Künstler aus verschiedenen Ländern und Kulturen auf der Leinwand „verewigen“.

Denn das war auch das Anliegen des Initiators: Die Sammlung soll durch die Auswahl der renommiertesten Graffiti-Künstler einen Überblick, ein verständliches Bild der Graffiti-Bewegung geben. Es ist ein historisches Dokument dieser weltweiten kulturellen Bewegung, die eine der vier Elemente der Hip Hop Bewegung darstellt, denn schließlich begleiten Writer DJs, B Boys und MC´s. Von den old school Veteranen der New Yorker subway, die erste Welle europäischer Graffitikünstler bis hin zu den jüngsten Innovatoren des Genre, sind drei Generationen vertreten. Die Sammlung soll sich weiterhin für neue, aufkommende Talente öffnen.

[caption id="attachment_1096" align="alignleft" width="315" caption="Paris (Cantwo Darco) 1994©ADAGP, Darco, Paris - All rights reserved"]Paris (Cantwo Darco) 1994©ADAGP, Darco, Paris - All rights reserved[/caption]

Darco, ein deutsch-französischer Writer aus Paris, ist auch unter den Auserwählten. Seit 1984 sprüht er in und bei Paris, seit langem bekannt für seine rigorosen Schriftzüge und Buchstaben. Er ist mit seiner Gruppe FBI einer der Ersten in Frankreich, die sich um den Künstlerstatus von früh an bemühten. Heute ist er ein international anerkannter Pionier. Er sprüht im öffentlichen Raum sowie auf Leinwände, und dies schon von Anfang an. Er entwirft Bühnenbilder, Schmuck, Accessoires und Textilien und lebt von Auftragsarbeiten.

Darco wurde vor zwei Jahren von einem Mitarbeiter Gallizias kontaktiert, um ein existierendes Werk zu kaufen. Dann kam der Auftrag für die Sammlung und er schuf im Atelier von Gallizia sein Werk auf der bereitgestellten Leinwand, die er als Hochformat entwarf und in der Ausstellung als Querformat unter den weiteren querformatigen Exponaten hängt.

[caption id="attachment_1095" align="alignleft" width="300" caption="Bookcover © ADAGP, DARCO, Paris"]Bookcover © ADAGP, DARCO, Paris[/caption]

Für Darco war das Anliegen zwiespältig. Anfangs hieß, nur die Sprühtechnik solle benutzt werden. Dann wurden aber auch Mischtechniken von anderen Künstlern angewandt und akzepziert. Darco denkt, es wäre interessanter gewesen, strengere Vorgaben zu machen: Nur sprühen, also nur mit Sprühdosen und nur mit einer bestimmten Anzahl von Farben.

Seine Motivation an diesem Projekt teilzunehmen lag darin, mit der Ausstellung ein breites Publikum in dem Prestige-Rahmen des Grand Palais erreichen zu wollen. Natürlich findet er das Projekt als solches gut, denn es wird über die Bewegung gesprochen und erhält Aufsehen. Zur Frage ob der Querschnitt der Geschichte des Graffiti mit dieser Ausstellung gelungen ist, antwortet uns Darco in einem Gespräch: „Es ist eine grosse Palette vertreten, es ist aber nur eine Facette, denn einige wichtigen Künstler fehlen, weil sie vielleicht unauffindbar waren oder nicht teilnehmen wollten. Es ist auch unmöglich, mehr als 40 Jahre Graffiti-Geschichte anhand von 300 Werken auf Leinwand von 150 Künstlern zu erzählen. Die Gestaltung der Ausstellung ist auch nicht wirklich gelungen, sie wurde von jemandem kuratiert, der außerhalb der Bewegung steht. Sie ist ein Patchwork, indem die einzelnen Werke leider untergehen.“

[caption id="attachment_1097" align="alignleft" width="300" caption="Berliner Mauer (Odem Darco Bomber Loomit) 1993© ADAGP, DARCO, Paris"]Berliner Mauer (Odem Darco Bomber Loomit) 1993© ADAGP, DARCO, Paris[/caption]

Die Ausstellung verliert durch den länglichen Saal und das dichte Hängen der gleichformatigen Leinwände bedauerlicherweise an Qualität. Den Katalog zur Ausstellung sollte man dennoch loben, denn er ist und wird auch eines der wichtigsten Nachschlagewerke dieses Genre der street art.

Die Ausstellung soll in die wichtigsten Museen der Welt wandern. Vielleicht wird sie in Zukunft in Berlin zu sehen sein, wenn ein Museum den Mut hat sich so wie der Grand Palais dem heiß diskutierten Thema mit der Frage zu stellen, ob Graffiti Kunst sei. Die Besucher schreckt die umstrittene wie vieldiskutierte Ausstellung nicht ab, sie kommen zahlreich.

06/04/2009

"Our body - à corps ouvert", umstrittene Ausstellung in Paris

Seit Februar ist die Ausstellung „Our body – à corps ouvert“ an einem neu eröffneten Ausstellungsort von circa 1200 m2, dem Espace 12 Madeleine, mitten in Paris zu sehen. Ähnlich der „Körperwelten-Ausstellung“, die in vielen Ländern der Welt mit über 30 Millionen Besuchern für Schlagzeilen sorgte und momentan in Heidelberg zu sehen ist, ist diese bis 10. Mai andauernde Schau in Paris höchst umstritten, um die ein gerichtliches Gerangel begonnen hat.

[caption id="attachment_1061" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert"]Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert[/caption]Der durch die erste sensationelle Ausstellung dieser Art bekannte Name Gunther von Hagens, Erfinder des Plastinationsverfahren in den 80er Jahren und Initiator der "Körperwelten" wird hier in der Pariser Ausstellung nirgendwo erwähnt, es scheint sich um eine Nachahmer-Ausstellung zu handeln, auf die das Institut für Plastination bei Heidelberg auf ihrer Internetseite hinweist und sich auch distanziert.

Pariser Museen wie das Musée de l´homme oder die Cité des Sciences wollten diese Ausstellung aus ethischen Gründen nicht haben. So fand sich ein privates Unternehmen für das Projekt. Der Organisator der Pariser Ausstellung, Pascal Bernardin, Direktor der Firma Encore Events, entdeckte die Ausstellung 2004 in den USA und brachte sie nach Frankreich. Er lobt die pädagogische Angehensweise dieser für ihn wissenschaftlich wichtigen Ausstellung, sowie die hohe Qualität der Präsentation. Nach Lyon und Marseille ist sie nun endlich in der Hauptstadt angekommen.„Our Body – à corps ouvert“ soll den Besuchern neues Wissen über Anatomie und Körperfunktionen geben und sie lehren, ihre Gesundheit wieder mehr zu schätzen. Sie soll im Rahmen der „Grande cause nationale 2009“ (Großer nationaler Anlass 2009) für die Organspende werben und ab Juni in den Parc Floral in Vincennes bei Paris wandern.

Die 17 ausgestellten Ganzkörper-Plastinate oder Teile stammen angeblich aus China. Sie wurden in Positionen verewigt, die einen Teil von Franzosen schocken: als Bogenschießer, Basketball- oder Schachspieler. In theatralischem Licht, auf Podesten oder in Vitrinen werden sie wie kostbare Museumsstücke zur Geltung gebracht. Für viele einfach nur makaber, trotz anatomischem Interesse, Texttafeln und Erklärungen.

[caption id="attachment_1062" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert"]Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert[/caption]Nach dem Organisator zu urteilen, stammen die Körper von der Stiftung Anatomical Sciences and Technology in Hong Kong, die Plastinate herstellen und mit sämtlichen Zertifikaten geliehen wurden. Doch für viele ist die Herkunft chinesischer Körper mysteriös.

Nun haben zwei Verbände für die Verteidigung der Menschenrechte geklagt: Wird der Respekt des menschlichen Körpers, der nicht mit dem Tod endet, wie es im französischen Bürgerlichen Gesetzbuch (Code civil 16-1) steht, hier eingehalten? Der Verein „Gemeinsam gegen die Todesstrafe und Solidarität mit China“ behauptet, dass es kaum Organspender in China gibt. Die Angehörigen der Verstorbenen haben wohl kaum ihr Einverständnis gegeben. Vielleicht handelt es sich bei den Körpern um ermordete Chinesen. Noch heute werden jährlich bis zu 6 000 Menschen in China zur Todesstrafe verurteilt und hingerichtet und deren Körper nicht den Angehörigen zurückgegeben werden.

Die Ankläger wollen die Ausstellung verboten sehen. Denn mit über 15 € Eintritt, klagen sie, handele es, abgesehen von der umstrittenen Frage der Herkunft der Körper, um ein kommerzielles Event, welches als „künstlerisch und pädagogisch“ gelten soll und in den Augen vieler Kritiker keinen wissenschaftlichen Charakter hat.

Am 9. April soll das Urteil gesprochen werden. Im Land der Menschenrechte wird es mit Spannung erwartet.