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22/01/2010

2. Ausgabe Berlin-Paris: Ein Beispiel für deutsch-französischen Kunst- und Kultur-Austausch

14 Pariser Galerien sind bis 23. Januar - einige auch etwas länger - in Berliner Galerien zu Gast, später werden sich 13 Berliner Galerien vom 29. Januar bis 6. Februar in Pariser Galerien präsentieren. Die erste Ausgabe von "Berlin-Paris“ im Jahre 2009 ist als großer Erfolg begeistert begrüßt worden, so dass sich die meisten Teilnehmer eine Fortsetzung wünschten und viele neue Anfragen kamen.

imageDas öffentlich-private Projekt wurde von dem französischen Botschafter in Berlin, Bernard de Montferrand, initiiert, genauer noch: von dem Kunstreferenten Cédric Aurelle, der dynamisch und leidenschaftlich den deutsch-französischen Kulturaustausch vorantreibt.

Die Galerien entscheiden selbst, wen sie einladen und welche Ausstellung gezeigt wird, die Kosten tragen sie ebenfalls selbst. Es werden viele junge Künstler gezeigt, aber auch Werke bekannter Maler der Moderne wie Picabia von der Pariser Galerie 1900-2000 bei Mehdi Chouakri. Der Berliner Galerist sieht in der deutschen Hauptstadt ein Defizit an Galerien, die modern-klassische Kunst zeigen und bietet somit eine museale Ausstellung in seinen Räumlichkeiten an. Die Pariser Galerie Nathalia Obadia stellt Kunst in der Berliner Galerie Esther Schipper aus und die Galerie Carlos Cardenas präsentiert z. B. Werke von Clément Rodzielski bei Chert in Kreuzberg.

[caption id="attachment_3428" align="alignleft" width="336" caption="Detailansicht Clément Rodzielski, Untitled (pour les pauvres), 2009, colored markers on 12 offset posters, 60 x 78 cm © C. Rodzielski"]Detailansicht: Clément Rodzielski, Untitled (pour les pauvres), 2009, coloures markers on 12 offset posters, 60 x 78 cm © C. Rodzielski[/caption]

Zur Eröffnung in Berlin reisten nicht nur Galeristen, private Sammler und Kunstschaffende an, sondern auch gleich mehrere Freundeskreise von Museen, die auch als Sammlergruppen gelten: vom Musée d'Art Moderne, von dem Verein ADIAF (Schirmherr des Marcel-Duchamp-Preises), von der jungen Stiftung La Fondation La Maison Rouge und aus Deutschland vom Museum Ludwig aus Köln. Das Interesse scheint groß.

In den letzten Jahren hat sich im musealen Paris einiges getan für die zeitgenössische Kunst, neue Institutionen, wie z. B. die Stiftung La Maison Rouge und neue Galerien sind entstanden und ziehen internationale Aufmerksamkeit auf sich. Das Medieninteresse in der Seine-Metropole ist enorm.

Berlin zieht Franzosen an, ob Touristen oder „Neuberliner“, man hört in den letzten fünf Jahren immer häufiger französisch auf den Straßen. Junge Unternehmer öffnen Cafés und Restaurants. Ohnehin beherbergt Berlin eine der größten französische Auslandsgemeinden. Viele Künstler und Kulturschaffende siedeln sich in der deutschen Hauptstadt an, weil diese eine Infrastruktur und ein Ambiente zum kreativen Schaffen bietet wie wenig andere Großstädte.

Die französische Botschaft unterstützt mit dieser kulturellen Aktion daher nicht nur den deutsch-französischen Austausch, sondern auch den Kunstmarkt und somit auch junge Künstler.

Botschafter de Montferrand äußert sich in einem Artikel von Le Monde am 18.01.2010 besonders positiv gegenüber den Künstlern: “Ich habe schon immer geglaubt, dass die zeitgenössische Kunst einer der Schlüssel ist, um die Welt von heute zu verstehen. Es ist für mich, als Botschafter, eine Art mein Netzwerk vielfältiger zu gestalten. Wenn Sie in einem Land leben, haben Sie natürliche Ansprechpartner, politische, wirtschaftliche, aber die Künstler öffnen Ihnen ein ganz anderes Universum, werfen ein neues Licht und ermöglichen Ihnen in die lokale Realität einzutauchen.“

[caption id="attachment_3429" align="aligncenter" width="508" caption="Still aus "Crazy Berlin" von Estelle Beauvais, 2009 © E. Beauvais"]Still aus Crazy Berlin von Estelle Beauvais, 2009 © E. Beauvais[/caption]

Die lokale Realität hat in Berlin verschiedene Gesichter. Es muss extrem viele alternative Wege in der Kunst geben, um in Berlin und auch woanders existieren zu können. Einen dieser Wege ist z. B. das Projekt „Printemps des Poètes Berlin 09“ gegangen, ein aus Frankreich zum ersten Mal 2009 nach Berlin importiertes Poesie-Festival. Oder die junge französische Dokumentarkünstlerin Estelle Beauvais mit dem „Dasein Projekt“: Kulturschaffende und Künstler werden in Paris und Berlin auf intime Weise in ihren poetischen Filmen gezeigt und vernetzt durch gemeinsame Projekte. Ein vielversprechendes Konzept und Talent, das nicht im Namen einer Institution steht. Filmprojekte, die sich alternativ und frei entwickelt haben allein durch die Motivation der Beteiligten. Um nun wachsen zu können sind sie auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Man könnte sich noch viele dieser Brücken zwischen Paris und Berlin vorstellen; nicht nur mehr und vielfältige Projekte zwischen Institutionen, Museen, Vereinen, Schulen usw.  Anstatt auf Initiativen von Institutionen und Antworten für öffentliche Subventionen, die jährlich schrumpfen, zu warten, wäre es schön, das Engagement von privaten Mäzenen und Firmen für mehr Brückenprojekte Berlin-Paris/Paris-Berlin von privaten, jungen Initiatoren zu gewinnen, um das gemeinsame Kunstschaffen und die deutsch-französische Freundschaft zu pflegen.

11/01/2010

Business Class in Paris: US-Künstlerin Nicole Cohen zeigt neue Arbeiten

Nach der Ausstellung „Rap Rococo“ 2007 präsentiert die amerikanische in Berlin lebende Künstlerin Nicole Cohen nun „Business Class“ in der Galerie La B.A.N.K in Paris bis 13. Februar 2010. Für diese zweite Ausstellung in ihrer Pariser Galerie erforscht Nicole Cohen den Begriff der funktionellen Psychologie und die Bestimmung einer Ästhetik des Selbst durch die Konzeptualisierung und die Formalisierung des Erscheinens.

"Plakat zur Ausstellung"]Plakat zur Ausstellung

In der Galerie La B.A.N.K. sind circa 30 Collagen und ein Video wie eine Filmmontage in den Räumlichkeiten von der Künstlerin gestaltet worden. Die Subjekte der Bilder, Frauen und Männer aus den 50er Jahren, interagieren durch ihren Blick und ihre Posen miteinander und untereinander und schaffen eine fassbare Kinematik, die Erzählung und die phänomenologische Erfahrung beschreibt. Der Effekt wird durch die von der Künstlerin geschriebene und auserwählte Wandtexte unterstrichen. Die für die Collagen benutzten Bilder sind Werbungen aus Magazinen längst vergangener Jahre. Die Personen, gezeichnete Modelle - glamouröse und elegante Geschäftsleute, wie man sie aus klassischen Hollywoodfilmen der 50er kennt - werden in einen raumzeitlichen Rahmen, ins Heute „teleportiert“. Das schwarze gitterartige Papier, das die Künstlerin über die Modelle angebracht hat, umrahmt die Figuren und verschleiert auf eine Art die Lektüre der Werke und den Übergang der Vergangenheit in die Gegenwart.

Ausstellungsansicht Business Class © N. Cohen"      Ausstellungsansicht Business Class © nicole cohen

Das aktuelle Video von Nicole Cohen verfolgt die systemische Interpretation des „in between“. Aus einem Tunnel oder von einer Straße aus in der Nacht gefilmt, flitzen die glitzernden Lichter von Straßenlaternen wie funkelnde Diamanten an uns vorbei, wie der Widerschein der fulminanten Bestimmung und Vorwegnahme, die die Geschäftswelt, die Business Class, scheinbar inspiriert.

Die Künstlerin sieht in ihrer Abstraktion den Erfolg, die grandiosen Ziele und auch die vorübergehenden Ängste in dieser Geschäftwelt. Der Titel „Yard“ eines der Werke bezeichnet in der amerikanischen Umgangssprache eine Milliarde Dollar, eine Summe, die nur für Auserwählte bestimmt ist. 

Nicole Cohen, You can do it, 2009, Collage, 20 x 29 cm © N.Cohen"Nicole Cohen, You can do it, 2009, Collage, 20 x 29 cm © N.Cohen 
Nicole Cohen, Jetlag, Videostill, 2008 © N. Cohen"
Nicole Cohen, Jetlag, Videostill, 2008 © nicole cohen

Nicole Cohen, Jetlag, 2008, Videoinstallation © N.Cohen"Nicole Cohen, Jetlag, 2008, Videoinstallation©N.Cohen

Nicole Cohen arbeitet häufig mit einem Fundus von Bildern aus der Vergangenheit, ob aus Modemagazinen wie hier oder Magazinen für Innenarchitektur und Wohnausstattung. Für ihre Videoinstallationen verwendet sie bis heute meistens Interieurs aus der Vergangenheit, in denen sie gefilmte Menschen aus dem Heute in ein „vergangenes“ statisches Bild, ein kleines Foto eines Interieurs, mit einem Projektor in der angepassten Größe des Interieurs beamt. Die kleinen „echten“ Figuren tanzen und bewegen sich in „fiktiven“ Räumen.

In ihren aktuellen Werken arbeitet sie nun fast umgekehrt: die Menschen der Vergangenheit, hier gezeichnete, statische Modelle aus den 50er Jahren, werden in einem neuen Kontext, mit Text, in die Gegenwart „kontextualisiert“. Eine neue Weise zu arbeiten und eine klug konzipierte Einzelausstellung in der Galerie für zeitgenössische Kunst, La B.A.N.K, nicht weit vom Centre Georges Pompidou im Zentrum von Paris.

2010 wird ein fruchtbares Jahr: Nicole Cohen zeigt eine Soloshow in Los Angeles im Rio Hondo College und wird an mehreren Gruppenausstellungen teilnehmen. Zudem erhält sie ihren ersten Auftrag aus Budapest.

Nicole Cohen zählt schon einige große Ausstellungen in den USA: "French Connection" (2009), "40-Love" (2003) und "Fantasy Space & Crystal Ball : Dreamhouse" (2000) in der Shoshana Wayne Gallery in Kalifornien oder "How to Make Your Windows Beautiful" (2005) in der Galerie Stephen Stoyanov in New York. Sie war in Gruppenausstellungen in Deutschland, Japan, Norwegen, Südkorea und China vertreten.

point-of-view-talkDrei Einzelausstellungen fanden in Museen statt: "My Vie En Rose" (2003) im Williams College Museum of Art in Williamstown, Massachusetts, "Please Be Seated" (2007-2009), eine Videoinstallation, die im Auftrag des J. Paul Getty Museum in Los Angeles geschaffen wurde und die dritte findet erst im Januar 2011 statt: "Circles and Beamers" im Katzen Art Center Museum in Washington, D.C.

04/01/2010

„Abschied von gestern“: Katrin Kampmann in Ludwigsburg

Noch bis zum 7. Januar zeigt Kunstbetrieb 7 in Ludwigsburg die aktuellen Werke der jungen, in Berlin lebenden Künstlerin Katrin Kampmann, in deren Malerei Abstraktion und Figuration, Reales und Surreales fusionieren. Durch die Farbe und Mehrschichtigkeit entsteht eine Explosion aus der neue und zugleich vertraute Szenerien.

1979 in Bonn geboren, geht Katrin Kampmann, nachdem sie als Kind einige Jahre in Paris gelebt hat, nach Berlin und studiert von 2001 bis 2006 unter Prof. K. H. Hödicke an der Universität der Künste und erhält den ehrenvollen Meisterschülerpreis. Schon kurz darauf wird sie von der Galerie Michael Schultz in Berlin neben bekannten Künstlern wie Cornelia Schleime und damals Norbert Bisky vertreten.

Katrin Kampmann, Persönliche Motive, 2009, Tusche, Acryl, Duck und Öl auf Leinwand, 150 x 200 cm © K. Kampmann"
Katrin Kampmann, Persönliche Motive, 2009, Tusche, Acryl, Duck und Öl auf Leinwand, 150 x 200 cm © katrinkampmann

Bereits Ende 2007-2008 hängen ihre Werke in der Kunsthalle Rostock neben zeitgenössischen Werken aus einer der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen des niederländischen Sammlerehepaares Knecht. Neben berühmten Zeitgenossen der älteren Generation wie Penck, Baselitz und Lüpertz befinden sich vor allem Arbeiten jüngerer Künstler in der Kollektion.

2008 wurde die Kampmann von Hans Grothe entdeckt, Vater des Bauherrn des Concorde Hotels in Berlin und erfahrener Kunstsammler. Er beauftragt die junge Künstlerin, Werke für das Concorde Hotel zu schaffen. Kaum aus dem Fahrstuhl gestiegen, überwältigen ihre farbigen Großleinwände in der ersten Etage sowie in der Brasserie Le Faubourg. Dort stellt Katrin Kampmanns "Frühstück im Freien" nicht nur ein historisches Zitat dar, mit dem sie spielt, sondern setzt auch einen überaus farbenfrohen Akzent.

2009 sind ihre Werke unter denen der deutschen Künstler in der Show "Kunstdialog in gemeinsamer Bewegung” im Museum of Art in Wuhan-China vertreten, eine Gruppenausstellung, die vom Goethe Institut und dem Auswärtigen Amt in Wuhan unterstützt wurde. Auch über ihre Einzelausstellung im selben Jahr in der Galerie schultz contemporary, "Die einfache Explosion", wurde mehrfach berichtet.

"Katrin Kampmann, Abschied von gestern, 2009, Tusche, Acryl, Druck und Öl auf Leinwand, 250 x 400 cm (Diptychon) © K. Kampmann"
Katrin Kampmann, Abschied von gestern, 2009, Tusche, Acryl, Druck und Öl auf Leinwand, 250 x 400 cm (Diptychon) © K. Kampmann 

In der Malerei von Katrin Kampmann fusionieren Abstraktion und Figuration, Reales und Surreales. Durch die Farbe und Mehrschichtigkeit entsteht eine Explosion, aus der neue und zugleich vertraute Szenerien entstehen.

Katrin Kampmann malt, was sie umgibt. Freunde, bekannte oder imaginäre Personen nach fotografischen Bildern. Auf den großformatigen Leinwänden herrscht eine gewisse Spannung, Heftigkeit und Emotionalität und eine wahrhaftige Farbexplosion. Leuchtende Farbflächen und Farbkleckse prallen auf die figurativen Darstellungen des Alltags. Ihr dynamischer Gestus kontrastiert mit den teilweise perfekt geformten Farbflecken, die die Flächen übersäen. Die malerisch reduzierten und verfremdeten Gestalten oder Silhouetten schimmern durch tapetenartige Muster, bewegen sich auf, vor oder hinter verschiedenen Flecken. Vordergrund und Hintergrund, Personen, Gegenstände, Farbflächen und Kleckse fließen ineinander und durcheinander. Ein zuerst wild wirkendes, doch hochrangig organisiertes System. Werke, die immer wieder ein optisches Erlebnis sind und den Betrachtern die Freiheit geben eigene Assoziationsketten zu finden.

Die junge Malerin kombiniert meisterhaft die unterschiedlichsten Maltechniken zu einem perfekt arrangierten Ensemble. Ihre expressive Malerei mit dem Pinsel wird durch die überlagernden Drucke zu einer Art Ordnung aufgerufen. Ob Tusche, Acryl oder Öl, sie trägt die Farbe mit dem Pinsel auf, schüttet, drippt oder sprüht. Ob horizontal auf dem Boden oder vertikal an der Wand, der permanente Wechsel der verschiedenen Techniken erfordert einen harten Körpereinsatz bei der Anfertigung der großformatigen Leinwände.

"Der Zufall spielt bei meiner Arbeit schon eine gewisse Rolle. Er gibt mir die Möglichkeit, mich immer wieder zu hinterfragen", sagt die Malerin.

Und Schnelligkeit ist bei ihren Techniken ebenfalls gefragt. Oft muss sie schnell eingreifen, noch bevor die Farbe trocknet, und das heißt geschickt agieren mit den unvorhersehbaren Formen und Strukturen, die z. B. durch die Drucktechnik entstehen.


In der Ausstellung „Abschied von gestern“ werden 15 aktuelle Werke gezeigt, die in den hellen, großen Galerieräumen des Kunstbetriebs 7 hervorragend zur Geltung kommen. Anhand von Schablonen stellt die Künstlerin in ihren jüngsten Gemälden Klone anderer Flecken her und kann sie unendlich wiederholen. Dadurch erhalten die Flecken etwas Künstliches, Technisches, Perfektes und stellen neben dem Gestus ihrer expressiven Malerei Kontrolle und Synthetik dar. Sie thematisiert in ihren jüngsten Werken die Omnipräsenz der Bilder in unserer Gesellschaft anhand von Motiven wie Laptop, TV und Handybildschirm. Die Perfektion der modernen Technik prallt auf die menschliche Unperfektion.

In "Persönliche Motive“ etwa steht auf der linken Hälfte des Bildes eine Frau. Der fleckige Boden, der als Diagonale die untere Bildhälfte einnimmt, gibt den sonst eher flächigen Bildern hier eine Tiefe. Die Frau posiert dem Betrachter zugewandt in einer Kampfgeste, die Faust nach vorne. Mit ihrem Look und der Umhängetasche wirkt sie jung mit dynamischem, fast aggressivem Gestus. In der Mitte des Gemäldes „explodiert“ ein Farbfleck, wie ein Feuerwerkskörper, den die Frau zu uns wirft. Eines der kraftvollsten Werke dieser beeindruckenden Einzelausstellung.