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20/03/2009

Charlotte Roches Bestseller endlich auch "Zones humides"

Der Bestseller von Charlotte Roches „Feuchtgebiete” erschien am 6. März in Frankreich. Die Rechte wurden an 27 Länder verkauft, nun darf Frankreich das Buch lesen. Hervorragend übersetzt von Claire de Oliveira („Avidité“ von Elfriede Jelinek; Preis Gérard de Nerval für literarische Übersetzungen 2004) erschien „Zones humides“ in einer Auflage von zunächst 27 000 Exemplaren.

Deutschland hat die Diskussion um „Feuchtgebiete” und den erstaunlichen Erfolg eines anrüchigen Romans überstanden. Nun steht Frankreich vor einer Debatte über „Hämorrhoiden und Körperflüssigkeiten“, über die Selbsterkundung der weiblichen Körperhöhlen und den Sinn von Intimrasuren, aber womöglich nur, wenn das Buch den gleichen Erfolg haben wird.

Der deutsch-französische Kultursender Arte versuchte am Abend zuvor, am 5. März mit der Doku „Feuchtgebiete erforschen” zu erkunden, wie unsere Nachbarn auf die Überschreitung der Ekelgrenzen reagieren werden und welche unterschiedlichen Wahrnehmungen die Deutschen und Franzosen haben, sei es auf gesellschaftlicher Ebene oder aus der Sicht der Frau.

„Die Franzosen sind viel schamhafter als die Deutschen”, konstatiert etwa Schriftsteller Frédéric Beigbeder, der sich auf die Seite der Autorin schlägt. „Sie bekämpft genau wie ich die Werbung.” Fernsehstar Harald Schmidt sagt, er nennt den Roman einen „Schlag in die Perfektionsmaschine einer Heidi Klum”.

Die Französinnen werden in der Heimat der großen Couturiers mehr als die Deutschen vom Druck der Modewerbung beeinflusst, in der kein überflüssiges Körperhaar und kein Pickelchen zu sehen sein darf. Und die Franzosen verhalten sich schamhafter, in den öffentlichen Duschen von Schwimmbädern, z.B. ziehen sie nicht den Badeanzug aus. „Zones humides” dürfte es schwerer haben, das Herz der Franzosen zu erobern. Denn während Deutschland das Gesicht von Charlotte Roche aus dem Fernsehen und den Medien schon kannte, ist sie in Frankreich unbekannt.

[caption id="attachment_903" align="alignright" width="300" caption="Charlotte Roche © K.Hermann "]Charlotte Roche © K.Hermann[/caption]

Roches Themen erschrecken die Franzosen nicht sonderlich. Als „pornografische“ Bücher mit gewagtem Inhalt sind „Lolita“ von Vladimir Nabokov und “Der Dieb“ von Jean Genet in Erinnerung. Anais Nins „Das Delta der Venus“, auch Gustave Flauberts „Madame Bovary“ sowie die Wendekreise von Henry Miller haben für literarische Sensationen, Verurteilungen und zum Teil für Verbote gesorgt. Charlotte Roche wird so schnell keine Französin und keinen Franzosen „moralisch“ erschüttern.

Das Buch wird in Frankreich von einer aufwendigen Werbekampagne begleitet. Das Cover zeigt hier ein verschwommenes Frauengesicht, gar sinnlicher als die deutsche Version mit Pflaster. Die französische Presse reagierte schon damals auf den unglaublichen Erfolg in Deutschland, nun berichten Tageszeitungen, aber vor allem Modezeitschriften über „Zones humides“.

Das berühmte „Elle-Magazin“ veröffentlichte am Tag der Herausgabe einen langen Artikel, indem Charlotte Roche als eine Autorin voller Humor und Talent gelobt wird. Aussagen wie: „Wäre ich nicht so verklemmt, hätte ich nie das Bedürfnis gehabt so einen Text zu schreiben“ und Erläuterungen zu ihrer Biografie bezeugen ein intimes Gespräch zwischen Elle-Journalistin und Autorin. Bei den vielen Lesern und vor allem Leserinnen der Zeitschrift, ist die Vorstellung der Bestseller-Autorin eine vorzügliche Werbelokomotive für das Buch.

Leider konnte die Autorin nicht zur geplanten Pressekonferenz am 12. März nach Paris kommen, wo wichtige Fernsehauftritte wie z.B. bei Canal+ geplant waren.

Wir werden einige Zeit abwarten müssen, um wirklich zu erfahren, wie die Franzosen auf „Zones humides“ reagieren, denn Mundpropaganda braucht seine Zeit. Doch der Geschmack der Franzosen für Skandale, Sex und People sowie ein gewisser teils trockener, teils anzüglicher Humor passt eigentlich sehr gut zu „Zones humides“.

8 comments:

  1. Das Buch wird in Frankreich schon deshalb keinen Erfolg haben weil die Französinen jein Problem mit ihrer Weiblichkeit haben. Sie sind sehr Stolz auf ihr Geschlecht und haben es nicht nötig sich wie deutsche Frauen als Männer-Abklatsch zu emanzipieren.Damit wird ziemlich deutslich wie plump und uncharmant das deutsche Volk ist. Leider ist das Buch dann wieder eine weiter Bestätigung der Vorurteile über Deutsche. Die aber wohl wahr sind. Das Buch wird zu unrecht als Kulturgut eingestuft. Es ist ein nur ein Trotzwerk und wirkt für mich wie aus wirtschaftlicher Not geboren.

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  2. Sehr schoener Artikel!

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  3. Und was das Cover betrifft, so ist es nicht sinnlicher, sondern eine schlechte Alternative, um den Franzosen nicht mit der gebrochenen Schrift auf der deutschen VVersion zu schocken. Da verstehen die FRanzosen keinen Spass. Ich hoffe für Frau Roche sie wird auch nicht in Frankreich den selben Hitlerjugend-Stil und Frisur tragen wie in Deutschland. Dann wäre das Image des Deutschen in Frankreich wieder perfekt.

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  4. @Frank S.
    Ich finde Charlotte Roche schön. – Und wie käme sie denn dazu, sich eine andere Frisur zuzulegen, nur um der Pflege nationalistischer Vorurteile seitens der Franzosen entgegen zu wirken? – Wenn die Franzosen tatsächlich so ein trauriges Weltbild haben und deshalb das Buch einer ausländischen Autorin nicht kaufen/lesen, sollen sie halt Froschschenkel essen, vielleicht macht das ja glücklich.

    Die Tatsache, dass der Verleger auch auf den französischen Markt geht, beweist doch, dass eine gewisse Nachfrage besteht.

    Ich wünsche Frau Roche allen erdenklichen Erfolg.

    Und der Artikel hier über das Neuerscheinen ist wirklich gelungen.

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  5. ...wenn wir uns schon über Frisuren unterhalten: ob\'s nun schön ausschaut oder nicht - der geflochtene und um den Hinterkopf geschlungene Zopf ist wieder hochaktuell. Die Heidi K. macht\'s. Die Paris H. auch. Nennt sich \

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  6. Es ist ein Unterschied, ob man kontextfrei eine geflochtene Frisur trägt oder ob man penetrant provozieren will und als Deutsche eine gebrochene Schrift auf seinem Buch verwendet ( was den meisten nicht mal auffällt ) und im Hitlerjugend-look Aufsehen erregen will (aus kommerziellen Gründen). Wie geistig vernebelt und primitiv das Werk ist und der gefolgte \

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  7. @Frank S.
    Aber was stört es dich? Gelingt es Frau Roche etwa, dich zu provozieren? – Das wäre ein Zeichen ihres Erfolgs ;-) – Und als typografisch geschulter Mensch halte ich es mit Jan Tschichold, der über die gebrochenen Schriften schrieb, sie seien \

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  8. "das Kleid der deutschen Sprache". – Die Nazis jedenfalls haben diese Schrift durch die Lateinische ersetzt. – Übrigens: bei jungen Damen muss es "BdM-Look" heißen :-D

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