Die junge, aus L.A. stammende Künstlerin Marisa Mandler stellt noch bis zum 19. Dezember 2009 erstmals in einer Einzelausstellung mit dem Titel „Dear Orpheus“ in der Galerie Wohnmaschine aus. Art and Events-Autorin Katia Hermann hat Marisa Mandler zu einem Gespräch getroffen.
"Marisa Mandler, The Moment Between, 2009, Installation, circa 400 x 200 cm, Mixed Media © Galerie Wohnmaschine Berlin"
Die Galerie präsentiert zwei Arbeiten, das Werk The Moment Between und February 26 von 2009. Es handelt sich beim ersten um eine menschengroße Installation im Raum, die aus mehreren dünnen Membranen und weißer Keramik angefertigt wurde. Diese lehnen an der Wand, biegen sich zu ihr mit einer Oberfläche, die hauchdünn, teilweise brüchig und lichtdurchlässig ist. Das Werk erweckt das Gefühl eines Schwebezustandes, fragil und verletzbar überrascht die Installation als standfest.
Die Künstlerin Marisa Mandler setzt sich hier mit einem ganz bestimmten Moment der mythologischen Geschichte von Orpheus auseinander: Der Augenblick kurz bevor Orpheus sich nach seiner Braut umschaut, in dem alles in der Schwebe, aber alles noch zu retten ist – ein Moment des Umbruchs, in dem ein erfülltes Leben oder auch der Beginn des Untergangs für Orpheus möglich sein wird. Dieser Spannung des Moments und dessen Energie, die in wenigen Sekunden enthalten sind, versucht Mandler durch ihr Werk The Moment Between auf eine poetische Art Gestalt zu geben.
"Marisa Mandler, February 26, 2009, Pen on Paper, 78 x 108 cm, Detail © Galerie Wohnmaschine Berlin"
Für die Zeichnung February 26 hat die junge Künstlerin einen vollen Tag lang 26 Sekunden lange Tonsequenzen aus ihrem Alltag aufgenommen. Der Berliner Straßenlärm oder Gespräche der Kunden im Café wurden als Audiodatei mit Hilfe eines Musikprogramms in eine grafische Darstellung am Computer in Amplituden umgewandelt, anschließend auf Papier projiziert und in eine filigrane Tuschezeichnung durch Mandler umgesetzt. Die zarten Linien zeigen Variationen von Lärm und Stille, die Resonanz und Schwingungen von Ereignissen, die wie eine Aufnahme deren Intensität wirken. Wie für The Moment Between hat Marisa Mandler auch hier das Ereignis poetisch umsetzten können.
20th century/contemporary art exhibitions curated by Katia Hermann & other work related projects
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19/10/2009
Kunst und Kalter Krieg im Deutschen Historischen Museum Berlin
Die Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg - Deutsche Positionen 1945-1989" startete am symbolischen Tag, dem 3. Oktober 2009, und zeigt bis zum 10. Januar 2010 auf rund 1.500 m2 in dem Gebäude von I. M. Pei des Deutschen Historischen Museums 375 Kunstwerke von mehr als 120 Künstlern. 20 Jahre nach dem Mauerfall kann man eine Auswahl deutscher Kunst, die seit dem Kriegsende in Ost- und Westdeutschland entstand, in dieser thematischen Gruppenausstellung neu entdecken. Einige Werke kennt man vielleicht schon aus verschiedenen Museumssammlungen oder aus der Ausstellung „Kunst in der DDR“ in der Nationalgalerie in Berlin.
[caption id="attachment_2828" align="alignleft" width="300" caption="A. R. Penck, Der Übergang, 1963, Aachen, Sammlung Ludwig, Ludwig Forum für internationale Kunst©2009 A. R. Penck"][/caption]
Die Kuratoren, Stephanie Barron vom Los Angeles County Museum of Art und Eckhart Gillen, Kulturprojekte Berlin, präsentieren nach den Stationen Los Angeles und Nürnberg in Berlin eine neue Version der Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg“. Die Berliner Variante präsentiert noch zusätzliche Werke. Gemeinsam sollen sie zeigen, wie Künstler aus Ost- und Westdeutschland im aufgeladenen Spannungsfeld der ideologischen Systemgegensätze in Ost und West eine vielschichtige und eigenständige politische Ikonografie entwickelt haben. Eckhart Gillen äußerte: „Die verschiedenen Formen der Kunst transportieren mentale, kulturelle und politische Inhalte, ohne sie im Sinne politischer Botschaften zu instrumentalisieren. Indem die Bilder aus vier Jahrzehnten deutscher Nachkriegskunst in ihrer Vielfalt und in ihrer Gestaltungskraft in unsere Wahrnehmung rücken, entsteht eine neue Perspektive auf die geteilte Nachkriegsgeschichte.“
Der Rundgang gliedert sich in vier Zeitabschnitte und beginnt mit der Stunde Null, 1945, und mit der Frage nach Kontinuität oder Neubeginn. Mit Werken von Karl Hofer und Hannah Höch beginnt man den Rundgang im ersten Saal; sie zeigen Menschen gruppiert in Szenen von Totentänzen und trauernden Frauen. Schwarzweiß-Fotos von Richard Peter sen., die 6er Serie „Dresden nach der Bombardierung vom 13/14. Februar 1945“, zeigen Bombenopfer und ihre Accessoires in den Trümmern von Dresden. Werke der Abstraktion aus der Schule der Bauhaus-Moderne werden mit figurativen Werken konfrontiert. Heinz Trökes Ölgemälde „Zwischen den Blöcken“ von 1947, eine im surrealistischen Stil dargestellte Szene schwebender Elemente zwischen zwei Mauer-Blöcken, ist vielleicht die erste Anspielung auf das, was noch kommen wird. Die Bronzeskulptur „Der Befreite“ von Georg Kolbe von 1945 sitzt nackt auf einem Stein und vergräbt sein Gesicht tief in seinen Händen - wohl befreit, doch trauernd, bedrückt und verängstigt sitzt er da und erinnert an den „Denker“ von Auguste Rodin, nur ist es hier eine zusammengebrochene Gestalt. In ihr spiegelt Kolbe die Erschütterung der Deutschen nach dem Kriegsende wider.
Der Held der Zukunft ist das Sujet des Sozialistischen Realismus im Osten, während die informelle Malerei im Westen Ausdruck des befreiten Subjekts sein will. Denkmalwettbewerbe konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen. Siegesdenkmal in Ostberlin, das Buchenwald-Ehrenmal mit der Skulpturengruppe von Fritz Cremer in der DDR, das geplante Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen in Westberlin...
[caption id="attachment_2829" align="alignleft" width="300" caption="Jörg Immendorff, Café Deutschland, 1977/78, Museum Ludwig Köln © Jörg Immendorff estate, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln"][/caption]
Die Erweiterung des Kunstbegriffs und der künstlerische Gebrauch der neuen Medien stehen unter dem Begriff Zeitgenossenschaft. In diesen Jahren beginnt zugleich die historische und künstlerische Aufarbeitung des Nationalsozialismus sowie die Radikalisierung verschiedener politischer Gruppen und Künstlergruppen. Der Kapitalistische Realismus, inspiriert durch die amerikanische Pop Art, wird die Kunst des Wirtschaftswunders. Fluxus, Happening, Performance und Neue Medien erweitern den Kunstbegriff. Hier sind bedeutende Werke von Beuys, Uecker mit der Gruppe Zero, Vostell, Polke und Nam June Paik - seine Installation „Kuba“ von 1963, ein Fernsehgerät der Marke „Kuba“ - zu sehen. Sigmar Polke baut 1967 das Objekt "Kartoffelhaus", ein bissiger Kommentar auf die Welt des westdeutschen Kleinbürgers der Wirtschaftswunderjahre, für den Eigenheim und gefüllter Vorratskeller überwichtig scheinen. Eine Kritik und Warnung des Künstlers, dass durch die Konsumfreude der Blick auf die Geschichte verloren geht.
Wolf Vostells Bild „B-52 (Lippenstiftbomber)" von 1968 ist eine Kritik an der amerikanischen Regierung, die nach Vostells Meinung lieber Lippenstifte über Nord-Vietnam abwerfen sollte, als das Land zu bombardieren. Jörg Immendorff verurteilt Volf Wostells Position als westlichen Kultur-Imperialismus in seinem großformatigen Gemälde „Deutsche Künstler=Vostell“ von 1975, in dem er Vostell mit seinem Happening-Manifest in der Hand fliegend porträtiert. Immendorff ironisiert den Einfluss auf die Künstler seines ehemaligen Lehrers Beuys in seinem Ölgemälde „Beuysland“ und verurteilt die aus seiner Sicht korrumpierte Gesellschaft in seiner „Lidl"-Serie. In seinem berühmten Gemälde „Café Deutschland“ von 1977/78 dokumentiert er unter anderem seine Freundschaft zu dem bis 1980 in der DDR lebenden Künstler A. R. Penck, mit dem er in den 70er Jahren trotz des geteilten Deutschlands eine künstlerische Partnerschaft begann.
Weiterhin zu sehen sind Werke von Georg Baselitz („Bild für die Väter“, 1965), Thomas Bayrle („Nürnberger Orgie“, 1966), Markus Lüpertz („Dithyramb“, 1964), Gerhard Richter („Onkel Rudi“, 1965) oder Wolf Vostell („Auschwitz-Scheinwerfer 568“, 1958), denen das oft leidenschaftliche Bemühen um Aufklärung, Erinnerung und Anklage gemeinsam ist. Und ein solches Engagement wurde noch bis in die 80er Jahre fortgeschrieben, wie etwa die Bilder von so unterschiedlichen Künstlern wie Anselm Kiefer („Varus“, 1980), Olaf Metzel („Türkenwohnung. Abstand 12 000 DM VB“, 1982) oder Albert Oehlen („Führerhauptquartier“, 1984) erkennen lassen.
[caption id="attachment_2830" align="alignleft" width="266" caption="Bernard Heisig, Unterm Hakenkreuz, 1973, Staatliche Museen zu berlin, Nationalgalerie © 2009 Bernhard Heisig/VG Bild-Kunst Bonn"][/caption]
Die Installation von Raffael Rheinsberg „Hand und Fuß“ von 1980 mit 350 aufgereihten schwarzen Schuhen und Handschuhen, die er im Niemandsland der Berliner Mauer, nahe des Anhalter Bahnhofs, fand, stammen aus einem Zwangsarbeiterlager der NS-Zeit. Die Installation erhält durch das Licht der Installation von Wolf Vostells „Ausschwitz-Scheinwerfer 560“ von 1958 eine noch dramatischere Dimension. Die Gestaltung ist hier gut gelungen und Bernhard Heisigs bekanntes Ölbild „Unterm Hakenkreuz“ von 1973 hängt auch nicht weit entfernt.
Das Werk von Lutz Dammbeck, „Nibelungen“ von 1986-1988 zieht hier das Auge des Besuchers besonders an. Der Künstler näht hier Bilder der Gesichtshälften von Baader und Ensslin mit Bildern von Werken vom NS-Bildhauer Arno Breker zusammen. Der Titel ist eine direkte Anspielung auf Hitlers Bewunderung für Richard Wagners „Ring der Nibelungen“.
Volker Stelzmann aus Dresden gibt eine Hommage an Rudi Dutschke mit seinem düsteren Ölbild „Für R. D.“ von 1981/82. Es zeigt Rudi Dutschke, der sich auf eine Badewanne stützt, Kopf nach unten gesenkt, eine direkte Anspielung auf seinen tragischen Tod. Georg Herold aus Jena überrascht mit seiner Installation „Laokoon“ von 1984, die aus einem alten Staubsauger und einem Audio-Band besteht, das die Rede von Hitler und Ulbricht über entartete Kunst von 1937 wiedergibt. Der Künstler war in der DDR inhaftiert, bevor seine Ausreise in den Westen 1973 genehmigt wurde.
Die Installation von Hans Haake, „Weite und Vielfalt der Brigade Ludwig“ von 1984 besteht aus zwei großformatigen Ölbildern, die über Eck durch ein Imitat der Berliner Mauer getrennt werden. Es ist mit das eindeutigste Werk der Ausstellung. Auf dem links hängenden Ölbild im sozialrealistischen Stil ist der Industrielle und Kunstmäzen Peter Ludwig mit Familie als Schokoladen-Patissier abgebildet. Das rechts von der Mauer hängende Gemälde zeigt eine Szene im Stil der westlichen Werbung für Trumpf-Schokolade, ein Produkt des Industriellen.
Im Ganzen stellt die Ausstellung eine beeindruckende, in ihrer Intensität und Dichte einzigartige Einführung in über 40 Jahre deutsch-deutsche Kunstgeschichte dar. Dass man die Ausstellung gleichwohl etwas unbefriedigt verlassen kann, liegt an der „Unterbelichtung“ des Kalten Krieges. Denn was hier unter dem Titel der Ausstellung geboten wird, ist vor allem eine Geschichte der deutschen Teilung und ihrer Verarbeitung in der Kunst. Die Erscheinungsformen des Kalten Krieges in der Kunst der beiden deutschen Staaten erhalten dafür weitere Aufmerksamkeit im Katalog der Ausstellung. Das Rahmenprogramm mit Filmvorführungen und Führungen durch „Kunst und Kalter Krieg - Deutsche Positionen 1945-89“ mit renommierten Künstlern ist vielversprechend.
[caption id="attachment_2828" align="alignleft" width="300" caption="A. R. Penck, Der Übergang, 1963, Aachen, Sammlung Ludwig, Ludwig Forum für internationale Kunst©2009 A. R. Penck"][/caption]
Die Kuratoren, Stephanie Barron vom Los Angeles County Museum of Art und Eckhart Gillen, Kulturprojekte Berlin, präsentieren nach den Stationen Los Angeles und Nürnberg in Berlin eine neue Version der Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg“. Die Berliner Variante präsentiert noch zusätzliche Werke. Gemeinsam sollen sie zeigen, wie Künstler aus Ost- und Westdeutschland im aufgeladenen Spannungsfeld der ideologischen Systemgegensätze in Ost und West eine vielschichtige und eigenständige politische Ikonografie entwickelt haben. Eckhart Gillen äußerte: „Die verschiedenen Formen der Kunst transportieren mentale, kulturelle und politische Inhalte, ohne sie im Sinne politischer Botschaften zu instrumentalisieren. Indem die Bilder aus vier Jahrzehnten deutscher Nachkriegskunst in ihrer Vielfalt und in ihrer Gestaltungskraft in unsere Wahrnehmung rücken, entsteht eine neue Perspektive auf die geteilte Nachkriegsgeschichte.“
Stunde Null, 1945-49
Der Rundgang gliedert sich in vier Zeitabschnitte und beginnt mit der Stunde Null, 1945, und mit der Frage nach Kontinuität oder Neubeginn. Mit Werken von Karl Hofer und Hannah Höch beginnt man den Rundgang im ersten Saal; sie zeigen Menschen gruppiert in Szenen von Totentänzen und trauernden Frauen. Schwarzweiß-Fotos von Richard Peter sen., die 6er Serie „Dresden nach der Bombardierung vom 13/14. Februar 1945“, zeigen Bombenopfer und ihre Accessoires in den Trümmern von Dresden. Werke der Abstraktion aus der Schule der Bauhaus-Moderne werden mit figurativen Werken konfrontiert. Heinz Trökes Ölgemälde „Zwischen den Blöcken“ von 1947, eine im surrealistischen Stil dargestellte Szene schwebender Elemente zwischen zwei Mauer-Blöcken, ist vielleicht die erste Anspielung auf das, was noch kommen wird. Die Bronzeskulptur „Der Befreite“ von Georg Kolbe von 1945 sitzt nackt auf einem Stein und vergräbt sein Gesicht tief in seinen Händen - wohl befreit, doch trauernd, bedrückt und verängstigt sitzt er da und erinnert an den „Denker“ von Auguste Rodin, nur ist es hier eine zusammengebrochene Gestalt. In ihr spiegelt Kolbe die Erschütterung der Deutschen nach dem Kriegsende wider.
Streit um das Menschenbild in den 50er Jahren
Der Held der Zukunft ist das Sujet des Sozialistischen Realismus im Osten, während die informelle Malerei im Westen Ausdruck des befreiten Subjekts sein will. Denkmalwettbewerbe konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen. Siegesdenkmal in Ostberlin, das Buchenwald-Ehrenmal mit der Skulpturengruppe von Fritz Cremer in der DDR, das geplante Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen in Westberlin...
Zeitgenossenschaft: 1960 bis 1979
[caption id="attachment_2829" align="alignleft" width="300" caption="Jörg Immendorff, Café Deutschland, 1977/78, Museum Ludwig Köln © Jörg Immendorff estate, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln"][/caption]
Die Erweiterung des Kunstbegriffs und der künstlerische Gebrauch der neuen Medien stehen unter dem Begriff Zeitgenossenschaft. In diesen Jahren beginnt zugleich die historische und künstlerische Aufarbeitung des Nationalsozialismus sowie die Radikalisierung verschiedener politischer Gruppen und Künstlergruppen. Der Kapitalistische Realismus, inspiriert durch die amerikanische Pop Art, wird die Kunst des Wirtschaftswunders. Fluxus, Happening, Performance und Neue Medien erweitern den Kunstbegriff. Hier sind bedeutende Werke von Beuys, Uecker mit der Gruppe Zero, Vostell, Polke und Nam June Paik - seine Installation „Kuba“ von 1963, ein Fernsehgerät der Marke „Kuba“ - zu sehen. Sigmar Polke baut 1967 das Objekt "Kartoffelhaus", ein bissiger Kommentar auf die Welt des westdeutschen Kleinbürgers der Wirtschaftswunderjahre, für den Eigenheim und gefüllter Vorratskeller überwichtig scheinen. Eine Kritik und Warnung des Künstlers, dass durch die Konsumfreude der Blick auf die Geschichte verloren geht.
Wolf Vostells Bild „B-52 (Lippenstiftbomber)" von 1968 ist eine Kritik an der amerikanischen Regierung, die nach Vostells Meinung lieber Lippenstifte über Nord-Vietnam abwerfen sollte, als das Land zu bombardieren. Jörg Immendorff verurteilt Volf Wostells Position als westlichen Kultur-Imperialismus in seinem großformatigen Gemälde „Deutsche Künstler=Vostell“ von 1975, in dem er Vostell mit seinem Happening-Manifest in der Hand fliegend porträtiert. Immendorff ironisiert den Einfluss auf die Künstler seines ehemaligen Lehrers Beuys in seinem Ölgemälde „Beuysland“ und verurteilt die aus seiner Sicht korrumpierte Gesellschaft in seiner „Lidl"-Serie. In seinem berühmten Gemälde „Café Deutschland“ von 1977/78 dokumentiert er unter anderem seine Freundschaft zu dem bis 1980 in der DDR lebenden Künstler A. R. Penck, mit dem er in den 70er Jahren trotz des geteilten Deutschlands eine künstlerische Partnerschaft begann.
Weiterhin zu sehen sind Werke von Georg Baselitz („Bild für die Väter“, 1965), Thomas Bayrle („Nürnberger Orgie“, 1966), Markus Lüpertz („Dithyramb“, 1964), Gerhard Richter („Onkel Rudi“, 1965) oder Wolf Vostell („Auschwitz-Scheinwerfer 568“, 1958), denen das oft leidenschaftliche Bemühen um Aufklärung, Erinnerung und Anklage gemeinsam ist. Und ein solches Engagement wurde noch bis in die 80er Jahre fortgeschrieben, wie etwa die Bilder von so unterschiedlichen Künstlern wie Anselm Kiefer („Varus“, 1980), Olaf Metzel („Türkenwohnung. Abstand 12 000 DM VB“, 1982) oder Albert Oehlen („Führerhauptquartier“, 1984) erkennen lassen.
[caption id="attachment_2830" align="alignleft" width="266" caption="Bernard Heisig, Unterm Hakenkreuz, 1973, Staatliche Museen zu berlin, Nationalgalerie © 2009 Bernhard Heisig/VG Bild-Kunst Bonn"][/caption]
Die Installation von Raffael Rheinsberg „Hand und Fuß“ von 1980 mit 350 aufgereihten schwarzen Schuhen und Handschuhen, die er im Niemandsland der Berliner Mauer, nahe des Anhalter Bahnhofs, fand, stammen aus einem Zwangsarbeiterlager der NS-Zeit. Die Installation erhält durch das Licht der Installation von Wolf Vostells „Ausschwitz-Scheinwerfer 560“ von 1958 eine noch dramatischere Dimension. Die Gestaltung ist hier gut gelungen und Bernhard Heisigs bekanntes Ölbild „Unterm Hakenkreuz“ von 1973 hängt auch nicht weit entfernt.
1980-1989: Wahnzimmer Deutschland und Trauma der Vergangenheit
Das Werk von Lutz Dammbeck, „Nibelungen“ von 1986-1988 zieht hier das Auge des Besuchers besonders an. Der Künstler näht hier Bilder der Gesichtshälften von Baader und Ensslin mit Bildern von Werken vom NS-Bildhauer Arno Breker zusammen. Der Titel ist eine direkte Anspielung auf Hitlers Bewunderung für Richard Wagners „Ring der Nibelungen“.
Volker Stelzmann aus Dresden gibt eine Hommage an Rudi Dutschke mit seinem düsteren Ölbild „Für R. D.“ von 1981/82. Es zeigt Rudi Dutschke, der sich auf eine Badewanne stützt, Kopf nach unten gesenkt, eine direkte Anspielung auf seinen tragischen Tod. Georg Herold aus Jena überrascht mit seiner Installation „Laokoon“ von 1984, die aus einem alten Staubsauger und einem Audio-Band besteht, das die Rede von Hitler und Ulbricht über entartete Kunst von 1937 wiedergibt. Der Künstler war in der DDR inhaftiert, bevor seine Ausreise in den Westen 1973 genehmigt wurde.
Die Installation von Hans Haake, „Weite und Vielfalt der Brigade Ludwig“ von 1984 besteht aus zwei großformatigen Ölbildern, die über Eck durch ein Imitat der Berliner Mauer getrennt werden. Es ist mit das eindeutigste Werk der Ausstellung. Auf dem links hängenden Ölbild im sozialrealistischen Stil ist der Industrielle und Kunstmäzen Peter Ludwig mit Familie als Schokoladen-Patissier abgebildet. Das rechts von der Mauer hängende Gemälde zeigt eine Szene im Stil der westlichen Werbung für Trumpf-Schokolade, ein Produkt des Industriellen.
Im Ganzen stellt die Ausstellung eine beeindruckende, in ihrer Intensität und Dichte einzigartige Einführung in über 40 Jahre deutsch-deutsche Kunstgeschichte dar. Dass man die Ausstellung gleichwohl etwas unbefriedigt verlassen kann, liegt an der „Unterbelichtung“ des Kalten Krieges. Denn was hier unter dem Titel der Ausstellung geboten wird, ist vor allem eine Geschichte der deutschen Teilung und ihrer Verarbeitung in der Kunst. Die Erscheinungsformen des Kalten Krieges in der Kunst der beiden deutschen Staaten erhalten dafür weitere Aufmerksamkeit im Katalog der Ausstellung. Das Rahmenprogramm mit Filmvorführungen und Führungen durch „Kunst und Kalter Krieg - Deutsche Positionen 1945-89“ mit renommierten Künstlern ist vielversprechend.
27/09/2009
Ulrike Bolenz zwischen Fotografie und Malerei auf der Berliner Liste2009
Die Kunstmesse Berliner Liste 2009 gilt als experimenteller Ort für junge Galerien und aktuelle Kunst. Dieses Jahr werden auf vier Etagen 60 Galerien aus 14 Ländern in einer entspannten Atmosphäre im Palais am Tiergarten vorgestellt. Im Focus steht die osteuropäische Kunstszene sowie Spanien, die Hälfte der ausstellenden Galerien stammen jedoch aus Deutschland, so auch die Marburger Galerie Michael W. Schmalfuss.
"Ulrike Bolenz, Zwei Kämpfende, 2009, 160 x 120 cm, Acrylfarbe, Ölfarbe, Print auf Holz ©ulrikebolenz"
Bei Michael W. Schmalfuss werden Werke der deutschen, in Belgien lebenden Künstlerin Ulrike Bolenz präsentiert. 1958 geboren, studierte sie an der Hochschule für Bildende Künste in Kassel bei Professor Manfred Bluth und Professor Tom Gramse. Seit 1994 stellt sie mehrmals im Jahr an verschiedenen Orten in Europa aus und erhielt zahlreiche Preise. Sie ist nun zum ersten Mal auf einer Berliner Kunstmesse zu sehen.
Die Figur Mensch im Fokus
Ulrike Bolenz entwickelt seit Jahren eine einmalige Technik, die untrennbar von ihren Themen und Motiven wird. Ein fotografischen Moment - ein Videostill von einem Video - vom Menschen, ein Akt, Moment des Gestus wird zum Ausgangspunkt eines Werkes. Das Negativ wird teilweise bearbeitet. Der Abzug und die Vergrößerung in die Menschensgröße auf Plexiglas, Acrylfolien oder Platten ermöglichen ihr eine Arbeit mit Schichten, Überlappungen, ein Spiel mit Transparenz, Kontrast, Schatten und Licht. Die mit Pinsel aufgetragene Acrylfarbe akzentuiert Konturen, fügt Farbflächen hinzu und setzt eine „fassbare“ Materie auf den teilweise plastischen Hintergrund. Mit Kohle zeichnet Ulrike Bolenz Linien, erweitert oder verdoppelt die Figur Mensch. Das Ganze ergibt Figurationen, Bilder von Bildern, geschichtete, überlappte Silhouetten, Verwischungen, komplette oder Teil-Transparenzen, diffuses oder gespiegeltes Licht und ein neuer Raum entsteht.
"Ulrike Bolenz, In Bewegung, 2006, 100 x 200 cm, fotografische Technik, Acrylfarbe ©ulrikebolenz"]
Der Mensch wird nackt ohne Zeichen oder Attribute dargestellt. Der Mensch pur als Frau oder Mann. Zeitlos, eigentlich ohne Individualität, in einer digitalen Struktur, ein Netz von Pinsel- und Kohlestrichen eingefangen. Ulrike Bolenz schafft es, das menschliche Bild - die Kreatur - in seiner Essenz zu erfassen. Fortschreitend trotz seiner Verletzbarkeit als „Versuchskaninchen oder Testperson“, wirkt er resistent und scheint zwischen Räumlichkeiten zu „schweben“. Der bekannte belgische Autor, Philosoph und Kurator Willem Elias erwähnt in seinem Buch "Aspects of Belgian art after 1945 Part II“ einen wichtigen Aspekt von Bolenz menschlicher Figur: „What is true is that Bolenz does not abuse the nude to make the erotic explicit. In any case, this fits her style, in which she tries to be as expressive as possible, without becoming expressionist.“
"Ulrike Bolenz, Zwei Kämpfende, 2009, 160 x 120 cm, Acrylfarbe, Ölfarbe, Print auf Holz ©ulrikebolenz"
Bei Michael W. Schmalfuss werden Werke der deutschen, in Belgien lebenden Künstlerin Ulrike Bolenz präsentiert. 1958 geboren, studierte sie an der Hochschule für Bildende Künste in Kassel bei Professor Manfred Bluth und Professor Tom Gramse. Seit 1994 stellt sie mehrmals im Jahr an verschiedenen Orten in Europa aus und erhielt zahlreiche Preise. Sie ist nun zum ersten Mal auf einer Berliner Kunstmesse zu sehen.
Die Figur Mensch im Fokus
Ulrike Bolenz entwickelt seit Jahren eine einmalige Technik, die untrennbar von ihren Themen und Motiven wird. Ein fotografischen Moment - ein Videostill von einem Video - vom Menschen, ein Akt, Moment des Gestus wird zum Ausgangspunkt eines Werkes. Das Negativ wird teilweise bearbeitet. Der Abzug und die Vergrößerung in die Menschensgröße auf Plexiglas, Acrylfolien oder Platten ermöglichen ihr eine Arbeit mit Schichten, Überlappungen, ein Spiel mit Transparenz, Kontrast, Schatten und Licht. Die mit Pinsel aufgetragene Acrylfarbe akzentuiert Konturen, fügt Farbflächen hinzu und setzt eine „fassbare“ Materie auf den teilweise plastischen Hintergrund. Mit Kohle zeichnet Ulrike Bolenz Linien, erweitert oder verdoppelt die Figur Mensch. Das Ganze ergibt Figurationen, Bilder von Bildern, geschichtete, überlappte Silhouetten, Verwischungen, komplette oder Teil-Transparenzen, diffuses oder gespiegeltes Licht und ein neuer Raum entsteht.
"Ulrike Bolenz, In Bewegung, 2006, 100 x 200 cm, fotografische Technik, Acrylfarbe ©ulrikebolenz"]
Der Mensch wird nackt ohne Zeichen oder Attribute dargestellt. Der Mensch pur als Frau oder Mann. Zeitlos, eigentlich ohne Individualität, in einer digitalen Struktur, ein Netz von Pinsel- und Kohlestrichen eingefangen. Ulrike Bolenz schafft es, das menschliche Bild - die Kreatur - in seiner Essenz zu erfassen. Fortschreitend trotz seiner Verletzbarkeit als „Versuchskaninchen oder Testperson“, wirkt er resistent und scheint zwischen Räumlichkeiten zu „schweben“. Der bekannte belgische Autor, Philosoph und Kurator Willem Elias erwähnt in seinem Buch "Aspects of Belgian art after 1945 Part II“ einen wichtigen Aspekt von Bolenz menschlicher Figur: „What is true is that Bolenz does not abuse the nude to make the erotic explicit. In any case, this fits her style, in which she tries to be as expressive as possible, without becoming expressionist.“
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08/09/2009
Afrika in Berlin: Ethnologisches Museum zeigt neue und alte Schätze
Das Ethnologische Museum in Berlin besitzt mit 500 000 Objekten aus der ganzen Welt, darunter circa 75 000 Objekte afrikanischer Kunst, eine bedeutende Sammlung von Weltrang. Die Mehrzahl der Schätze befindet sich im Magazin und nur ein Bruchteil der Bestände kann dem Besucher präsentiert werden. Dies soll sich in Zukunft ändern.
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20/08/2009
Erotische Werke von George Grosz aus Berlin verschwunden
Die Sonderschau „George Grosz und die Erotik“ auf der Expressionale 2008 am Potsdamer Platz war erst ab 18 Jahren zugänglich. Schwerpunkt dieser Ausstellung war das Spätwerk des sozialkritischen Berliner Künstlers George Grosz, seine erotischen Werke. Die Ölbilder, Tuschzeichnungen und Aquarelle entstanden im amerikanischen Exil ab Ende der 1930er Jahre. Ein Jahr nach der Ausstellung kommt die Meldung: Vier Werke aus Berlin sind verschwunden.
Im Exil in New York erhielt Grosz einen Lehrauftrag an der New Yorker Art Students League. Seine anfängliche Begeisterung für das Land ließ schnell nach: „Dies ist kein Land für Träumer – hier wird nur gearbeitet“, schrieb der Künstler nach seiner Übersiedlung. Er besaß jahrelang wenig Geld und überlebte dank seines Lehrauftrags. In den frühen 1950er Jahren versank er in Pessimismus und kämpfte gegen Depressionen, die er mit Alkohol zu ertränken versuchte. 1958 kehrte der Künstler desillusioniert und krank in seine Heimatstadt Berlin zurück und starb nur ein Jahr später.
Obwohl sich George Grosz zeitlebens mit der Erotik beschäftigte, brachte der Aufenthalt in New York eine besondere Qualität für seine erotischen Werke. In der amerikanischen Gesellschaft stießen sie in den 1940er-50er Jahren jedoch auf Ablehnung, sie schockierten die Amerikaner.
Mit schwarzer Tuschfarbe oder Aquarell malte Grosz z. B. Frauen mit überdimensioniertem Penis, als Zwitter, sowie Rückenakte mit Blick auf Po und triefender Scheide oder Frauen mit dem Maler „vereinigt“.
Seine Arbeiten sind nicht als pornografisch einzuordnen, meint der Galerist, Experte, Sammler und Zeichner Florian Karsch von der bekannten Galerie Nierendorf in Berlin. Es sind intime Bekenntnisse des Künstlers, im Grunde sogar Treuezeugnisse, denn die abgebildeten Frauen tragen Züge seiner Ehefrau und deren Schwester.
"Eines der verschwunden Werke: George Grosz, Kauernder Rückenakt nach links und sitzender Maler, Öl und Mischtechnik auf festem Aquarellbütten, 355 x 507 mm, um 1940, Sammlung Karsch-Nierendorf"
„Grosz thematisiert in diesem späten erotischen Werk Traumata. Das Thema „Kastrationsangst“ führt zu zweigeschlechtlichen Frauendarstellungen. Er arbeitet mit der in der Psychologie gängigen Ambivalenz einer „Lust-Angst“ oder einer „Hass-Liebe“ und vergrößert sie bis ins maximale Bildvolumen, um sodann den „Schock des Betrachters“ durch die Bildung eines Fetischs abzumildern“, schreibt der Kurator Joachim Leipski im Katalog der damaligen Ausstellung „George Grosz und die Erotik“ auf der Expressionale 2008. Joachim Leipski alias Joachim Train verschwand spurlos nach der Expressionale.
Er hinterließ einen Schuldenberg von 400 000 €; hinzu kommt, dass vier Aquarelle der erotischen Werke George Grosz aus der Sammlung Florian Karsch verschwanden, die angeblich über die damalige ausführende Firma der Expressionale einem Spanier verkauft wurden. Einem fiktivem Spanier, wie sich herausstellen sollte. In welchen Händen sich nun, ein Jahr später die vier erotischen Blätter befinden und wo der Kurator untergetaucht ist, ist jetzt ein Fall des LKA Berlins.
Ein am 18.08.2009 in der Berliner Zeitung erschienener Artikel berichtet ausführlich über diesen Kriminalfall.
Im Exil in New York erhielt Grosz einen Lehrauftrag an der New Yorker Art Students League. Seine anfängliche Begeisterung für das Land ließ schnell nach: „Dies ist kein Land für Träumer – hier wird nur gearbeitet“, schrieb der Künstler nach seiner Übersiedlung. Er besaß jahrelang wenig Geld und überlebte dank seines Lehrauftrags. In den frühen 1950er Jahren versank er in Pessimismus und kämpfte gegen Depressionen, die er mit Alkohol zu ertränken versuchte. 1958 kehrte der Künstler desillusioniert und krank in seine Heimatstadt Berlin zurück und starb nur ein Jahr später.
Obwohl sich George Grosz zeitlebens mit der Erotik beschäftigte, brachte der Aufenthalt in New York eine besondere Qualität für seine erotischen Werke. In der amerikanischen Gesellschaft stießen sie in den 1940er-50er Jahren jedoch auf Ablehnung, sie schockierten die Amerikaner.
Mit schwarzer Tuschfarbe oder Aquarell malte Grosz z. B. Frauen mit überdimensioniertem Penis, als Zwitter, sowie Rückenakte mit Blick auf Po und triefender Scheide oder Frauen mit dem Maler „vereinigt“.
Seine Arbeiten sind nicht als pornografisch einzuordnen, meint der Galerist, Experte, Sammler und Zeichner Florian Karsch von der bekannten Galerie Nierendorf in Berlin. Es sind intime Bekenntnisse des Künstlers, im Grunde sogar Treuezeugnisse, denn die abgebildeten Frauen tragen Züge seiner Ehefrau und deren Schwester.
"Eines der verschwunden Werke: George Grosz, Kauernder Rückenakt nach links und sitzender Maler, Öl und Mischtechnik auf festem Aquarellbütten, 355 x 507 mm, um 1940, Sammlung Karsch-Nierendorf"
„Grosz thematisiert in diesem späten erotischen Werk Traumata. Das Thema „Kastrationsangst“ führt zu zweigeschlechtlichen Frauendarstellungen. Er arbeitet mit der in der Psychologie gängigen Ambivalenz einer „Lust-Angst“ oder einer „Hass-Liebe“ und vergrößert sie bis ins maximale Bildvolumen, um sodann den „Schock des Betrachters“ durch die Bildung eines Fetischs abzumildern“, schreibt der Kurator Joachim Leipski im Katalog der damaligen Ausstellung „George Grosz und die Erotik“ auf der Expressionale 2008. Joachim Leipski alias Joachim Train verschwand spurlos nach der Expressionale.
Er hinterließ einen Schuldenberg von 400 000 €; hinzu kommt, dass vier Aquarelle der erotischen Werke George Grosz aus der Sammlung Florian Karsch verschwanden, die angeblich über die damalige ausführende Firma der Expressionale einem Spanier verkauft wurden. Einem fiktivem Spanier, wie sich herausstellen sollte. In welchen Händen sich nun, ein Jahr später die vier erotischen Blätter befinden und wo der Kurator untergetaucht ist, ist jetzt ein Fall des LKA Berlins.
Ein am 18.08.2009 in der Berliner Zeitung erschienener Artikel berichtet ausführlich über diesen Kriminalfall.
01/07/2009
elles@centrepompidou zeigt 1 Jahr nur Künstlerinnen
In der 4. Etage des Centre National d´Art et de Culture Georges Pompidou in Paris werden bis Ende Mai 2010 ein Jahr lang ausschließlich Werke von Künstlerinnen aus der Sammlung des Museums gezeigt. Bei elles@centrepompidou handelt es sich um 500 Werke von mehr als 200 internationalen Künstlerinnen, die in einem thematischen und chronologischen Parcours auf 8000 qm die Kunst von Frauen vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute erzählen.
Orlan, Baiser de l´artiste. Le distributeur automatique ou presque! n°2, 1977 © ADAGP, Paris, 2009"
Werke bekannter Künstlerinnen wie Sonia Delaunay, Frida Kahlo, Dorothea Tanning, Joan Mitchell, Maria-Elena da Silva bilden das historische Kapitel und hängen unmittelbar neben zeitgenössischen Arbeiten wie z. B. von Orlan, Niki de Saint Phalle, Sophie Calle, Annette Messager, Louise Bourgeois, Pipolitti Rist und vielen mehr.
Schon im Eingang wird die Intention dieses musealen Projektes angedeutet: um die Genres durcheinander zu bringen, hat Agnès Thurnauer bestimmte Namen des Berufes verweiblicht oder vermännlicht. Auf Portraits setzt die Künstlerin Namen wie Annie Warhol, Joséphine Beuys, Francine Bacon oder Louis Bourgeois.
Der Parcours erweckt ein passives Bewusstsein, der die Nichtexistenz einer weiblichen Kunst suggeriert.
In den Ausstellungsräumen kommen die Künstlerinnen selbst zu Wort, die teils ihre eigenen Werke anhand der Bildtexte kommentieren. Zitate von Autorinnen, Philosophinnen, Schriftstellerinnen und Historikerinnen verlaufen an den Wänden der Ausstellung. Einige der Künstlerinnen werden im Laufe des Jahres im Centre Pompidou anzutreffen sein.
Der thematische Parcours ist in sieben Kapitel aufgeteilt: Moderne (Pioniere), Historische (Feuer frei!), Physische (der Körper als Slogan), Exzentrische (exzentrische Abstraktion) , Häusliche (ein Zimmer für sich), Narrative (das Wort zum Werk) und Immaterielle (Anspielung auf eine große, bahnbrechende Ausstellung im Centre Pompidou mit dem Titel „Les Immatériaux“, hier die weibliche Form).
"Agnès Thurnauer, Portraits grandeur nature, 2007-2009 © ADAGP, Paris, 2009"
Eine Sammlung zu zeigen ist nicht eine Ausstellung konzipieren, denn die Werke sind schon da, die Auswahl ist schon getroffen. Es geht darum, in welchem Kontext und in welchem Licht man die Werke der Sammlung präsentiert. Viele Museen haben Ausstellungen weiblicher Kunst präsentiert, doch das Centre Pompidou ist das erste Museum, das seine Sammlung aus dieser Perspektive heraus der Öffentlich zugänglich macht.
Die Wahl der szenografischen Darstellung der Ausstellung überrascht so manches Mal. Anstelle der klassischen schwarzen Schrift auf den Wänden gibt es sie in rosa, blau, grün, eine ganze Palette an Farben, die an den Hauptsponsor der Ausstellung erinnert: Yves Rocher, der Pflanzen-Kosmetik-Hersteller. Ausgerechnet Kosmetik. Doch abgesehen von den szenografischen „weiblichen“ Verschönerungen geht es in den Ausstellungsräumen eher ernst zu, die Kunst zeigt sich teils gewaltig, seriös und anspruchsvoll. Die Sammlung ist reich, überrascht, und das Centre Pompidou, auch Beaubourg genannt, wird ein Jahr lang feminin.
Nur 18% der Werke unter den Kunstsammlungen des Landes sind von Frauen. Das spricht für sich. Diese Ausstellung trägt dazu bei, den Fokus auf Kunst von Frauen zu richten, sich damit auseinanderzusetzen und sich zu fragen, wie sie zur Kunstgeschichte beiträgt.
Das interdisziplinäre Programm, der Audio-Guide, der 380-Seiten dicke Ausstellungskatalog sowie eine Internetseite, die mit dem Slogan „Ein neuer Blick auf die Geschichte der modernen und zeitgenössischen Kunst“ neugierig macht - auf elles.centrepompidou.fr kann man auch erstmalig gezeigte Videos entdecken -: Die Fülle des Angebots rund um die Ausstellung elles@centrepompidou macht diese einmalige Show zu einem umfangreichen Event von Mai 2009 bis Mai 2010.
Orlan, Baiser de l´artiste. Le distributeur automatique ou presque! n°2, 1977 © ADAGP, Paris, 2009"
Werke bekannter Künstlerinnen wie Sonia Delaunay, Frida Kahlo, Dorothea Tanning, Joan Mitchell, Maria-Elena da Silva bilden das historische Kapitel und hängen unmittelbar neben zeitgenössischen Arbeiten wie z. B. von Orlan, Niki de Saint Phalle, Sophie Calle, Annette Messager, Louise Bourgeois, Pipolitti Rist und vielen mehr.
Schon im Eingang wird die Intention dieses musealen Projektes angedeutet: um die Genres durcheinander zu bringen, hat Agnès Thurnauer bestimmte Namen des Berufes verweiblicht oder vermännlicht. Auf Portraits setzt die Künstlerin Namen wie Annie Warhol, Joséphine Beuys, Francine Bacon oder Louis Bourgeois.
Der Parcours erweckt ein passives Bewusstsein, der die Nichtexistenz einer weiblichen Kunst suggeriert.
In den Ausstellungsräumen kommen die Künstlerinnen selbst zu Wort, die teils ihre eigenen Werke anhand der Bildtexte kommentieren. Zitate von Autorinnen, Philosophinnen, Schriftstellerinnen und Historikerinnen verlaufen an den Wänden der Ausstellung. Einige der Künstlerinnen werden im Laufe des Jahres im Centre Pompidou anzutreffen sein.
Der thematische Parcours ist in sieben Kapitel aufgeteilt: Moderne (Pioniere), Historische (Feuer frei!), Physische (der Körper als Slogan), Exzentrische (exzentrische Abstraktion) , Häusliche (ein Zimmer für sich), Narrative (das Wort zum Werk) und Immaterielle (Anspielung auf eine große, bahnbrechende Ausstellung im Centre Pompidou mit dem Titel „Les Immatériaux“, hier die weibliche Form).
"Agnès Thurnauer, Portraits grandeur nature, 2007-2009 © ADAGP, Paris, 2009"
Eine Sammlung zu zeigen ist nicht eine Ausstellung konzipieren, denn die Werke sind schon da, die Auswahl ist schon getroffen. Es geht darum, in welchem Kontext und in welchem Licht man die Werke der Sammlung präsentiert. Viele Museen haben Ausstellungen weiblicher Kunst präsentiert, doch das Centre Pompidou ist das erste Museum, das seine Sammlung aus dieser Perspektive heraus der Öffentlich zugänglich macht.
Die Wahl der szenografischen Darstellung der Ausstellung überrascht so manches Mal. Anstelle der klassischen schwarzen Schrift auf den Wänden gibt es sie in rosa, blau, grün, eine ganze Palette an Farben, die an den Hauptsponsor der Ausstellung erinnert: Yves Rocher, der Pflanzen-Kosmetik-Hersteller. Ausgerechnet Kosmetik. Doch abgesehen von den szenografischen „weiblichen“ Verschönerungen geht es in den Ausstellungsräumen eher ernst zu, die Kunst zeigt sich teils gewaltig, seriös und anspruchsvoll. Die Sammlung ist reich, überrascht, und das Centre Pompidou, auch Beaubourg genannt, wird ein Jahr lang feminin.
Nur 18% der Werke unter den Kunstsammlungen des Landes sind von Frauen. Das spricht für sich. Diese Ausstellung trägt dazu bei, den Fokus auf Kunst von Frauen zu richten, sich damit auseinanderzusetzen und sich zu fragen, wie sie zur Kunstgeschichte beiträgt.
Das interdisziplinäre Programm, der Audio-Guide, der 380-Seiten dicke Ausstellungskatalog sowie eine Internetseite, die mit dem Slogan „Ein neuer Blick auf die Geschichte der modernen und zeitgenössischen Kunst“ neugierig macht - auf elles.centrepompidou.fr kann man auch erstmalig gezeigte Videos entdecken -: Die Fülle des Angebots rund um die Ausstellung elles@centrepompidou macht diese einmalige Show zu einem umfangreichen Event von Mai 2009 bis Mai 2010.
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Paris
13/06/2009
Kleinste Ausstellungsfläche Berlins inszeniert s.h.e.
Unter der Adresse Friedrichstraße 210, beim Checkpoint Charlie, führt eine gewölbte Durchfahrt in den Innenhof eines Gebäudes aus den Jahren um 1910. An der Schwelle zwischen Innen und Außen, liegt am Eingang zu einem marmorverkleideten Treppenhaus die frühere Pförtnerloge des Hauses. Nach einer gelungenen Renovierung haben Martin Mlecko, Fotograf und Filmemacher, und Wolfgang Schöddert, Kunsthistoriker, diesen originellen Ort unter dem Namen Loge zu einem Ausstellungsort für raumbezogene Arbeiten entwickelt. Zwei kleine, mit Tudorbögen abgerundete Schiebefenster gewähren den Blick von Drinnen nach Draußen und umgekehrt. Die Loge ist ein begehbarer Raum und dennoch mehr Vitrine als Raum.
[caption id="attachment_1826" align="alignleft" width="208" caption="Eingang zur Loge © Katia Hermann"][/caption]
Das Werk
Theoretisch tot von Stefan Heinrich Ebner, Pseudonym s.h.e., ist eine Skulptur, ein Gebilde, dessen Strukturelemente mit Tierfellen umhüllt sind. Frei in der Loge hängend ertasten die längsten Fühler des Gebildes die Dimension des Raumes - ca. 4qm groß mit einem unregelmäßigen Grundriss - und streben nach Ausdehnung. Struktur und Fell wirken wie eine wesenhafte Einheit. Theoretisch tot berührt diese Einheit und verlangt nach der Reflexion über Entwicklung und Wachstum, Entfaltung und Erfüllung, Leben und Tod. Der Titel des Werkes spricht diese Reflexion mit einer gewissen Ironie an.
Zwei Jahre hing die Basis des Werkes im Atelier s.h.e.-Studio von Stefan Heinrich Ebner in den Josettihöfen in der Rungestrasse. Es brauchte eine lange Zeit, um zu wachsen. Mit ihrer Basisstruktur aus Bambus verlangte die Skulptur keine Kanten, sondern eine „unscharfe“ Hülle. Fell war das perfekte Material: Natürlich, organisch, weich, mit unscharfen, unregelmäßigen Rändern und quasi lebendig. Hier ein „Bastard“, Felle von verschiedenen Tieren wurden zu einem neuen „Wesen“ zusammengefügt.
[caption id="attachment_1827" align="alignleft" width="224" caption="Ansicht "Theoretisch tot" in der Loge © Katia Hermann"][/caption]
Der Künstler
Stefan Heinrich Ebner wurde 1965 in Freiburg geboren und arbeitet seit 1986 in Berlin. Er gründete 1989 das „Jour Fix im Cafe Einstein, Tisch 133", diskutierte über raumbezogene Kunst und soziale Skulptur. Seine Projektionen und nichtsimultanen Räume führten ihn zur Bildarchitektur, die er in Form von Fotogeflechten verschiedener Architekturaufnahmen im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) sowie Galerien in Deutschland, New York und der Schweiz ausstellte. Seine Farbfeldanimationen, die aus der 3-D entsprungen sind, die Lichtbilder, die Projektionen auf Pneumatik, der Raumfilter, die Raumfotografie, die Raumfalten und die Bildarchitekturen finden alle ihren Ursprung im strukturellen Aufbau.
Stefan Heinrich Ebner befasste sich lange mit Architekturtheorie. Die ästhetische Infrastruktur ist der Überbegriff seiner Kunst. Nach vielen Jahren der Arbeit am Computer packte ihn das Verlangen "fassbare" Strukturen, Skulpturen, in den wahrhaftigen Raum zu bringen. So entstanden in den letzten Jahren eine Reihe von hängenden Strukturen, bedeckt mit Fell oder auch Federn, die mit Poesie unsere Sinne ansprechen und das Verlangen erzeugen, sie zu umgehen, zu streicheln oder gar hineinzusteigen.
An diesem Ort, der Loge, ist dies leider nicht möglich, nur die zwei abgerundeten Schiebefenster und das schmale Fenster in der Tür gewähren Blicke. Doch umso größer ist auch der Effekt in dieser Art Vitrine: Das eingeschlossene Werk strebt nach außen zum Betrachter, das dessen Verlangen nach Nähe nur steigert.
[caption id="attachment_1828" align="alignleft" width="225" caption="Theoretisch tot von s.h.e. © K atia Hermann"][/caption]
Der Ort
In ihrer ursprünglichen Funktion war die Loge eine Registratur für Rituale innerhalb der sie umgebenden Architektur. Ein Wechselspiel zwischen Innen und Außen gehört zu ihren Eigenschaften. Sie war ein eng angelegter Arbeitsplatz, ein Ort der Information und zugleich ein Schicksalsplatz - Menschen wurden willkommen geheißen oder zurück auf die Straße verwiesen, angezogen oder abgestoßen. Die Loge war Arbeiten gewidmet, heute der Kunst. Der Wunsch, das Bewusstsein gegenüber einer alltäglichen Schönheit und Poesie zu stärken, steht gleichwertig daneben.
Martin Mlecko und Wolfgang Schöddert arbeiten seit den frühen 1990er Jahren an gemeinsamen Projekten im öffentlichen Raum. Künstlerische und kuratorische Grundgedanken basieren dabei stets auf sozialpolitischen Zielsetzungen. Wesentliches Merkmal war und ist der diskursive Austausch und die Einbindung Anderer in konzeptuelle Prozesse und gleichzeitig die Auseinandersetzung mit Orten, die bestimmte kulturelle Zusammenhänge spiegeln.
An diesem geladenen Ort in der Friedrichstraße in Berlin, der an einem einst neuralgischen und politischen Ort im historischen Zeitungsquartier Berlins liegt und heute zum touristischen Magneten der Stadt gehört, wird die Intention des Projektes und des Werkes Theoretisch tot von Stefan Heinrich Ebner sinnlich spürbar.
[caption id="attachment_1826" align="alignleft" width="208" caption="Eingang zur Loge © Katia Hermann"][/caption]
Das Werk
Theoretisch tot von Stefan Heinrich Ebner, Pseudonym s.h.e., ist eine Skulptur, ein Gebilde, dessen Strukturelemente mit Tierfellen umhüllt sind. Frei in der Loge hängend ertasten die längsten Fühler des Gebildes die Dimension des Raumes - ca. 4qm groß mit einem unregelmäßigen Grundriss - und streben nach Ausdehnung. Struktur und Fell wirken wie eine wesenhafte Einheit. Theoretisch tot berührt diese Einheit und verlangt nach der Reflexion über Entwicklung und Wachstum, Entfaltung und Erfüllung, Leben und Tod. Der Titel des Werkes spricht diese Reflexion mit einer gewissen Ironie an.
Zwei Jahre hing die Basis des Werkes im Atelier s.h.e.-Studio von Stefan Heinrich Ebner in den Josettihöfen in der Rungestrasse. Es brauchte eine lange Zeit, um zu wachsen. Mit ihrer Basisstruktur aus Bambus verlangte die Skulptur keine Kanten, sondern eine „unscharfe“ Hülle. Fell war das perfekte Material: Natürlich, organisch, weich, mit unscharfen, unregelmäßigen Rändern und quasi lebendig. Hier ein „Bastard“, Felle von verschiedenen Tieren wurden zu einem neuen „Wesen“ zusammengefügt.
[caption id="attachment_1827" align="alignleft" width="224" caption="Ansicht "Theoretisch tot" in der Loge © Katia Hermann"][/caption]
Der Künstler
Stefan Heinrich Ebner wurde 1965 in Freiburg geboren und arbeitet seit 1986 in Berlin. Er gründete 1989 das „Jour Fix im Cafe Einstein, Tisch 133", diskutierte über raumbezogene Kunst und soziale Skulptur. Seine Projektionen und nichtsimultanen Räume führten ihn zur Bildarchitektur, die er in Form von Fotogeflechten verschiedener Architekturaufnahmen im Deutschen Architekturzentrum (DAZ) sowie Galerien in Deutschland, New York und der Schweiz ausstellte. Seine Farbfeldanimationen, die aus der 3-D entsprungen sind, die Lichtbilder, die Projektionen auf Pneumatik, der Raumfilter, die Raumfotografie, die Raumfalten und die Bildarchitekturen finden alle ihren Ursprung im strukturellen Aufbau.
Stefan Heinrich Ebner befasste sich lange mit Architekturtheorie. Die ästhetische Infrastruktur ist der Überbegriff seiner Kunst. Nach vielen Jahren der Arbeit am Computer packte ihn das Verlangen "fassbare" Strukturen, Skulpturen, in den wahrhaftigen Raum zu bringen. So entstanden in den letzten Jahren eine Reihe von hängenden Strukturen, bedeckt mit Fell oder auch Federn, die mit Poesie unsere Sinne ansprechen und das Verlangen erzeugen, sie zu umgehen, zu streicheln oder gar hineinzusteigen.
An diesem Ort, der Loge, ist dies leider nicht möglich, nur die zwei abgerundeten Schiebefenster und das schmale Fenster in der Tür gewähren Blicke. Doch umso größer ist auch der Effekt in dieser Art Vitrine: Das eingeschlossene Werk strebt nach außen zum Betrachter, das dessen Verlangen nach Nähe nur steigert.
[caption id="attachment_1828" align="alignleft" width="225" caption="Theoretisch tot von s.h.e. © K atia Hermann"][/caption]
Der Ort
In ihrer ursprünglichen Funktion war die Loge eine Registratur für Rituale innerhalb der sie umgebenden Architektur. Ein Wechselspiel zwischen Innen und Außen gehört zu ihren Eigenschaften. Sie war ein eng angelegter Arbeitsplatz, ein Ort der Information und zugleich ein Schicksalsplatz - Menschen wurden willkommen geheißen oder zurück auf die Straße verwiesen, angezogen oder abgestoßen. Die Loge war Arbeiten gewidmet, heute der Kunst. Der Wunsch, das Bewusstsein gegenüber einer alltäglichen Schönheit und Poesie zu stärken, steht gleichwertig daneben.
Martin Mlecko und Wolfgang Schöddert arbeiten seit den frühen 1990er Jahren an gemeinsamen Projekten im öffentlichen Raum. Künstlerische und kuratorische Grundgedanken basieren dabei stets auf sozialpolitischen Zielsetzungen. Wesentliches Merkmal war und ist der diskursive Austausch und die Einbindung Anderer in konzeptuelle Prozesse und gleichzeitig die Auseinandersetzung mit Orten, die bestimmte kulturelle Zusammenhänge spiegeln.
An diesem geladenen Ort in der Friedrichstraße in Berlin, der an einem einst neuralgischen und politischen Ort im historischen Zeitungsquartier Berlins liegt und heute zum touristischen Magneten der Stadt gehört, wird die Intention des Projektes und des Werkes Theoretisch tot von Stefan Heinrich Ebner sinnlich spürbar.
04/06/2009
BORDERS: Internationale Gruppenausstellung in Berlin
Der Begriff Border wird in einer Gruppenausstellung in Berlin zur Diskussion gestellt: In seinem 3. Ausstellungsprojekt BORDERS - Rand Grenze Rahmen präsentiert der Berliner Kunstverein ConcentArt e.V. in seiner Location in Kreuzberg 17 nationale und internationale Künstler und Künstlergruppen (5. Juni bis 26. Juli 2009). Der Kunstverein stellt künstlerische Auseinandersetzungen, Methoden und Darstellungsformen über gesellschaftliche Phänomene und Diskurse der Gegenwart in den Mittelpunkt seiner Ausstellungen, für die Begriffe aus dem kollektiven Bewusstsein ausgewählt und zur Diskussion gestellt werden.
Begriffe aus dem kollektiven Bewusstsein
[caption id="attachment_1668" align="alignleft" width="224" caption="Vox Populi von Don Ritter, Borders © K. Hermann"][/caption]
Der Begriff Border und seine deutschen Entsprechungen im Titel des gleichnamigen Ausstellungsprojektes ist ein Angebot des Berliner Kunstvereins ConcentArt e.V. an Künstler aller Genres, Medien, Darstellungs- und Ausdrucksformen, sich produktiv mit gesellschaftlichen Realitäten auseinanderzusetzen und sie sinnlich mit ihren künstlerischen Mitteln in Entsprechung zu dem Begriff Border erfahrbar zu machen. Nach den thematischen Gruppenausstellungen "Sicherheit" und "Wa(h)re Kunst" zeigt ConcentArt e.V. in dem großen Ausstellungsraum in einem Hinterhof der Kreuzbergstraße mit BORDERS – Rand Grenze Rahmen wieder einmal Werke von großer Qualität. Kuratiert wurde die internationale Gruppenausstellung vom Künstler Georgi Begun und dem Berliner Kurator Dr. Rolf Külz-Mackenzie.
Der auch in der deutschen Sprache gebräuchliche Begriff Border steht für eine Bandbreite von Begrifflichkeiten ohne wirkliche Begrenzung und spielt in seinen deutschen Synonymen - Rand, Grenze, Rahmen - in unserer Wahrnehmung eine Rolle. Das angelsächsische Border steht für all dieses und für weitere Zusammenhänge aus der Psychologie (Borderline Syndrom), der Ökonomie (Cross border leasing) oder der Politik (State Border). Wir leben in einer Zeit der Grenzenlosigkeit, der Entgrenzung, der Grenzüberschreitung, der Randexistenzen oder der Rahmenlosigkeit. Wir stossen an die Grenzen der Wahrnehmung, leben in unsichtbaren Grenzen, fallen aus dem Rahmen, oder stehen am Rande des Abgrundes.
Die US-Videokünstlerin Nicole Cohen über Borders von Zeit und Raum
In der Videoinstallation Jet lag von Nicole Cohen wird der Betrachter mit vielfachen Facetten des Begriffs Border konfrontiert: Die Rahmen der zwei Projektionsflächen, zwei kleine Bilder von Räumlichkeiten - hier von Flugzeuginterieurs - und die Überschreitung dieser materiellen Grenze, die hier durch auf die Fläche projizierte, animierte Menschen aufgehoben wird, indem sie von einer Fläche zur anderen wandern und kurzzeitig im Zwischenraum - der Wand - verschwinden. Der Fakt der Eingrenzung im geschlossenen, fliegenden Raum, das Flugzeug: Die besondere Situation des Fliegens, in der Grenzen virtuell erscheinen, Zeitzonen sich überlappen oder für den Passagier in der Luft wahrnehmlich aufgehoben werden. Der Titel Jet lag, spielt auf das physische Resultat der Zeitgrenzenüberschreitungen an.
[caption id="attachment_1667" align="alignleft" width="300" caption="Jet lag von Nicole Cohen, Borders © K. Hermann"][/caption]
Nicole Cohen wollte das Thema Abflug/Abfahrt und Ankunft bearbeiten, diesen Zustand zwischen zwei Momenten, bei dem man in Abwesenheit und Desorientierung schweben kann. Dieser Moment, in dem man die Erinnerung an einen Raum in den nächsten Raum mitnimmt und eine Überlappung stattfindet, die auch eine Art Konfusion hervorrufen kann.
Die amerikanische Künstlerin befasst sich seit Jahren in ihren Videoarbeiten mit Räumlichkeiten, Innenausstattungen und Mobiliar. Meistens sind sie historisch aus anderen Zeiten und werden durch animierte, projizierte Personen aus der Gegenwart in einen neuen dynamischen Kontext gesetzt. Sie clashen aufeinander durch die Überlappung der immobilen Projektionsfläche, das Bild eines Interieurs und der animierten, den Proprtionen des Interieurs angepassten Videoprojektion.
Bei der Künstlerin ruft der Begriff Border Multiples hervor: The edge (Borte, Flanke, Grenze, Kante, Rand, Schneide, Umrandung...), eine spezifische Linie, die zwei Seiten trennt. Auf der einen Seite befinden sich Dinge, die in einer bestimmten Weise vorgeschrieben sind, und auf der anderen Erwartungen. Eine dünne Linie zwischen zwei verschiedenen Codes oder Arten des Wirkens. Für die Performances in Cohens Videoarbeiten agieren Personen in bestimmten Räumlichkeiten. Es gibt eine starke unsichtbare Grenze zwischen den Akteuren und ihr, der Regisseurin. Die Idee der psychologischen Grenze zwischen verschiedenen Räumlichkeiten sowie Epochen ist in ihren Arbeiten ein Leitfaden.
Nicole Cohen lebt und arbeitet seit 2008 in Berlin, reist für Aufträge oft in die USA und lebt mit dem jet lag, der bei der Ankunft in Berlin anscheinend immer heftiger ist. Sie nennt diesen Zustand auch einen «Kick», einen «Lichtkick», denn man muss das Tageslicht konfrontieren, obwohl der Körper auf Nacht eingestellt ist, und in diesem Zustand erfährt man körperliche Grenzzustände.
Künstlerische Auseinandersetzungen mit Borders
[caption id="attachment_1669" align="alignleft" width="225" caption="Trespassing von Georgi Begun, Borders © K. Hermann"][/caption]
In Unser Garten erforscht der polnische Künstler Roland Schefferski die Grenze zwischen heimisch und exotisch anhand des Gartenbeispiels. Ergebnisse der Tauchgänge in die Tiefe des Unbewussten, Resultate des Projektes ORA des Italieners Ugo Dossi und Hara Walther in Berlin werden hier zum ersten Mal gezeigt: Ab 2008 galt es als Zentrum und Entfaltungsraum für sensitive Begabungen, in dem sie Zugang zur Kreativität des Unbewussten finden und entwickeln können. Als Werkzeug wird hierfür das Phänomen des sogenannten Automatischen Zeichnens eingesetzt, mit dem unbewusste Inhalte unmittelbar, gleichsam automatisch zum Ausdruck gebracht werden können. So entstanden eine große Anzahl von ORAcles, automatische Zeichnungen mit verblüffenden Inhalten, die auf das Wirken einer transpersönlichen Intelligenz hinweisen, an der Grenze zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein...
Der Schweizer Urs Jeaggi appelliert mit seiner Rauminstallation Kampfplatz 2009 an die politische und soziale Dimension des Begriffs Border und stellt erhebliche Fragen an unsere Gesellschaft. Der Kanadier Don Ritter verblüfft mit einer interaktiven Videoinstallation Vox populi, bei der der Besucher historische Reden vor einem projiziertes Publikum halten kann, das prompt auf den Redner reagiert. Der Mazedonier Jovan Balov regt mit seiner Installation aus Video und Leinwänden Net Total zur Reflektion über geopolitische Grenzverschiebungen an.
Der russische Künstler Georgi Begun überrascht mit drei Installationen, in denen er die menschliche Figur in einem Video-Triptychon porträtiert, in Fotoarbeiten durch Gitter eingrenzt, oder mit drei im Fußboden integrierten Bildschirmen am Eingang der Ausstellung. In dieser interaktiven Installation Trespassing tritt der Besucher dem Künstler ins Gesicht, welches sich vor Schmerz verzerrt. Das Künstlerpaar Beatrijs Albers und Reggi Timmermans aus Belgien zeigen neben den vielen Videos in der Ausstellung eine Installation mit Materie, hier Textil: Taschentücher und ausgeschnittene Blazertaschen, in Schnörkelschrift mit Beautiful Borders bestickt, spielen auf den sinnlichen Aspekt des Begriffs Rand an. Die Thematisierung der damaligen Grenze in Berlin sollte bei Borders nicht fehlen. Jan Peter E.R. Sonntag zeigt hier Wall, eine Installation im Bereich der diskursiven Medienkunst. Fünf Jahre nach dem Mauerfall installierte er 100 Sinustöner auf dem brachen Feld des Postdamer Platzes bis hin zur damaligen Ausstellung Fall Wall Fall im Gropius-Bau. 20 Jahre nach dem Mauerfall bezieht er sich bei Borders wieder auf diese Intervention und metrisiert den Raum mit einer großen, weißen Leinwand-ein pulsendes Klangfeld-und setzt eine unsichtbare Linieatur.
Der Berliner Kunstverein ConcentArt e.V. schafft es, die Vielfältigkeit des Begriffs Border anhand der Mannigfaltigkeit der 17 Werke zu umschreiben und kündigt schon die nächsten vielversprechenden Ausstellungen für das Jahr 2009 auf seiner Interseite an: Strictly Berlin und Luxury.
Begriffe aus dem kollektiven Bewusstsein
[caption id="attachment_1668" align="alignleft" width="224" caption="Vox Populi von Don Ritter, Borders © K. Hermann"][/caption]
Der Begriff Border und seine deutschen Entsprechungen im Titel des gleichnamigen Ausstellungsprojektes ist ein Angebot des Berliner Kunstvereins ConcentArt e.V. an Künstler aller Genres, Medien, Darstellungs- und Ausdrucksformen, sich produktiv mit gesellschaftlichen Realitäten auseinanderzusetzen und sie sinnlich mit ihren künstlerischen Mitteln in Entsprechung zu dem Begriff Border erfahrbar zu machen. Nach den thematischen Gruppenausstellungen "Sicherheit" und "Wa(h)re Kunst" zeigt ConcentArt e.V. in dem großen Ausstellungsraum in einem Hinterhof der Kreuzbergstraße mit BORDERS – Rand Grenze Rahmen wieder einmal Werke von großer Qualität. Kuratiert wurde die internationale Gruppenausstellung vom Künstler Georgi Begun und dem Berliner Kurator Dr. Rolf Külz-Mackenzie.
Der auch in der deutschen Sprache gebräuchliche Begriff Border steht für eine Bandbreite von Begrifflichkeiten ohne wirkliche Begrenzung und spielt in seinen deutschen Synonymen - Rand, Grenze, Rahmen - in unserer Wahrnehmung eine Rolle. Das angelsächsische Border steht für all dieses und für weitere Zusammenhänge aus der Psychologie (Borderline Syndrom), der Ökonomie (Cross border leasing) oder der Politik (State Border). Wir leben in einer Zeit der Grenzenlosigkeit, der Entgrenzung, der Grenzüberschreitung, der Randexistenzen oder der Rahmenlosigkeit. Wir stossen an die Grenzen der Wahrnehmung, leben in unsichtbaren Grenzen, fallen aus dem Rahmen, oder stehen am Rande des Abgrundes.
Die US-Videokünstlerin Nicole Cohen über Borders von Zeit und Raum
In der Videoinstallation Jet lag von Nicole Cohen wird der Betrachter mit vielfachen Facetten des Begriffs Border konfrontiert: Die Rahmen der zwei Projektionsflächen, zwei kleine Bilder von Räumlichkeiten - hier von Flugzeuginterieurs - und die Überschreitung dieser materiellen Grenze, die hier durch auf die Fläche projizierte, animierte Menschen aufgehoben wird, indem sie von einer Fläche zur anderen wandern und kurzzeitig im Zwischenraum - der Wand - verschwinden. Der Fakt der Eingrenzung im geschlossenen, fliegenden Raum, das Flugzeug: Die besondere Situation des Fliegens, in der Grenzen virtuell erscheinen, Zeitzonen sich überlappen oder für den Passagier in der Luft wahrnehmlich aufgehoben werden. Der Titel Jet lag, spielt auf das physische Resultat der Zeitgrenzenüberschreitungen an.
[caption id="attachment_1667" align="alignleft" width="300" caption="Jet lag von Nicole Cohen, Borders © K. Hermann"][/caption]
Nicole Cohen wollte das Thema Abflug/Abfahrt und Ankunft bearbeiten, diesen Zustand zwischen zwei Momenten, bei dem man in Abwesenheit und Desorientierung schweben kann. Dieser Moment, in dem man die Erinnerung an einen Raum in den nächsten Raum mitnimmt und eine Überlappung stattfindet, die auch eine Art Konfusion hervorrufen kann.
Die amerikanische Künstlerin befasst sich seit Jahren in ihren Videoarbeiten mit Räumlichkeiten, Innenausstattungen und Mobiliar. Meistens sind sie historisch aus anderen Zeiten und werden durch animierte, projizierte Personen aus der Gegenwart in einen neuen dynamischen Kontext gesetzt. Sie clashen aufeinander durch die Überlappung der immobilen Projektionsfläche, das Bild eines Interieurs und der animierten, den Proprtionen des Interieurs angepassten Videoprojektion.
Bei der Künstlerin ruft der Begriff Border Multiples hervor: The edge (Borte, Flanke, Grenze, Kante, Rand, Schneide, Umrandung...), eine spezifische Linie, die zwei Seiten trennt. Auf der einen Seite befinden sich Dinge, die in einer bestimmten Weise vorgeschrieben sind, und auf der anderen Erwartungen. Eine dünne Linie zwischen zwei verschiedenen Codes oder Arten des Wirkens. Für die Performances in Cohens Videoarbeiten agieren Personen in bestimmten Räumlichkeiten. Es gibt eine starke unsichtbare Grenze zwischen den Akteuren und ihr, der Regisseurin. Die Idee der psychologischen Grenze zwischen verschiedenen Räumlichkeiten sowie Epochen ist in ihren Arbeiten ein Leitfaden.
Nicole Cohen lebt und arbeitet seit 2008 in Berlin, reist für Aufträge oft in die USA und lebt mit dem jet lag, der bei der Ankunft in Berlin anscheinend immer heftiger ist. Sie nennt diesen Zustand auch einen «Kick», einen «Lichtkick», denn man muss das Tageslicht konfrontieren, obwohl der Körper auf Nacht eingestellt ist, und in diesem Zustand erfährt man körperliche Grenzzustände.
Künstlerische Auseinandersetzungen mit Borders
[caption id="attachment_1669" align="alignleft" width="225" caption="Trespassing von Georgi Begun, Borders © K. Hermann"][/caption]
In Unser Garten erforscht der polnische Künstler Roland Schefferski die Grenze zwischen heimisch und exotisch anhand des Gartenbeispiels. Ergebnisse der Tauchgänge in die Tiefe des Unbewussten, Resultate des Projektes ORA des Italieners Ugo Dossi und Hara Walther in Berlin werden hier zum ersten Mal gezeigt: Ab 2008 galt es als Zentrum und Entfaltungsraum für sensitive Begabungen, in dem sie Zugang zur Kreativität des Unbewussten finden und entwickeln können. Als Werkzeug wird hierfür das Phänomen des sogenannten Automatischen Zeichnens eingesetzt, mit dem unbewusste Inhalte unmittelbar, gleichsam automatisch zum Ausdruck gebracht werden können. So entstanden eine große Anzahl von ORAcles, automatische Zeichnungen mit verblüffenden Inhalten, die auf das Wirken einer transpersönlichen Intelligenz hinweisen, an der Grenze zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein...
Der Schweizer Urs Jeaggi appelliert mit seiner Rauminstallation Kampfplatz 2009 an die politische und soziale Dimension des Begriffs Border und stellt erhebliche Fragen an unsere Gesellschaft. Der Kanadier Don Ritter verblüfft mit einer interaktiven Videoinstallation Vox populi, bei der der Besucher historische Reden vor einem projiziertes Publikum halten kann, das prompt auf den Redner reagiert. Der Mazedonier Jovan Balov regt mit seiner Installation aus Video und Leinwänden Net Total zur Reflektion über geopolitische Grenzverschiebungen an.
Der russische Künstler Georgi Begun überrascht mit drei Installationen, in denen er die menschliche Figur in einem Video-Triptychon porträtiert, in Fotoarbeiten durch Gitter eingrenzt, oder mit drei im Fußboden integrierten Bildschirmen am Eingang der Ausstellung. In dieser interaktiven Installation Trespassing tritt der Besucher dem Künstler ins Gesicht, welches sich vor Schmerz verzerrt. Das Künstlerpaar Beatrijs Albers und Reggi Timmermans aus Belgien zeigen neben den vielen Videos in der Ausstellung eine Installation mit Materie, hier Textil: Taschentücher und ausgeschnittene Blazertaschen, in Schnörkelschrift mit Beautiful Borders bestickt, spielen auf den sinnlichen Aspekt des Begriffs Rand an. Die Thematisierung der damaligen Grenze in Berlin sollte bei Borders nicht fehlen. Jan Peter E.R. Sonntag zeigt hier Wall, eine Installation im Bereich der diskursiven Medienkunst. Fünf Jahre nach dem Mauerfall installierte er 100 Sinustöner auf dem brachen Feld des Postdamer Platzes bis hin zur damaligen Ausstellung Fall Wall Fall im Gropius-Bau. 20 Jahre nach dem Mauerfall bezieht er sich bei Borders wieder auf diese Intervention und metrisiert den Raum mit einer großen, weißen Leinwand-ein pulsendes Klangfeld-und setzt eine unsichtbare Linieatur.
Der Berliner Kunstverein ConcentArt e.V. schafft es, die Vielfältigkeit des Begriffs Border anhand der Mannigfaltigkeit der 17 Werke zu umschreiben und kündigt schon die nächsten vielversprechenden Ausstellungen für das Jahr 2009 auf seiner Interseite an: Strictly Berlin und Luxury.
15/05/2009
„Vielfalt!“ Eine Mitmach-Ausstellung zur Toleranz im Schloss Britz
Schloss Britz im Süden Berlins wird in Neukölln gerne als die Perle des Bezirks genannt und ist als Kulturstiftung bekannt für ein wechselhaftes, buntes Programm im Bereich Musik, Kunst und familienfreundlichen Events.
[caption id="attachment_1504" align="alignleft" width="225" caption="Schloss Britz, Parkseite, © Katia Hermann"][/caption]Nach der erfolgreichen Hundertwasser-Ausstellung im Frühjahr letzten Jahres, die das grafische Werk des Wieners präsentierte, folgte eine thematische Ausstellung zum Thema Kunstfälschungen mit Werken von Picasso, Dali, Chagall und anderen bekannten Künstlern des 20. Jahrhunderts neben Fälschungen aus dem Archiv des Landeskriminalamts.
Seit dem 6.Mai 2009 widmet sich die Stiftung einer Wanderausstellung für Kinder: die von Pädagogen, Künstlern, Designern und Kindern des Vereins Mit allen Sinnen lernen e.V. gestalteten Schau „Vielfalt!“, eine Mitmach-Ausstellung zur Toleranz. Sie soll zur Förderung der Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung von Anderen beitragen. Unterstützt wurde das Projekt durch die Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin und spricht Kitas, Schulen und Eltern an, den Kindern diese Schau zu zeigen.
Im rechten Flügel des Schlosses aus dem 18. Jahrhundert sowie in Räumlichkeiten auf dem historischen Gutshof mit neuer Tierhaltung, finden reflexive, kreative und humorvolle Mitmach-Aktionen für Kinder von 2 bis 12 Jahren statt. Sie fordern auf, den Wert der Verschiedenheit der Menschen und der Unterschiedlichkeiten in der Natur und in den Dingen zu erforschen. Zur Schulung der Sinne gibt es Kuscheliges und Kratziges anzufassen oder unsichtbare Hände zu ertasten. Eine lustige, originelle sowie reichhaltige Unterhaltung für jung und alt.
Die Gefühle anderer richtig zu deuten, ist gar nicht so einfach. Mit dem Gefühle-Dreh-Puzzle können die Kinder ausprobieren, wie sich Augen, Mund und Nase verändern, wenn jemand ängstlich oder ärgerlich ist. Welches Kind kennt nicht die Situation, dass es nicht mitspielen darf? Verschiedene Möglichkeiten, wie man auf Ausgrenzung reagieren kann, spielen die Kinder anhand von Fotogeschichten durch.
[caption id="attachment_1503" align="alignleft" width="300" caption="Ausstellungsbau Vielfalt"][/caption]Der Abschnitt „Vielfalt der Entwicklung“ zeigt, dass jeder Mensch anders ist und ein Recht auf eine Entwicklung hat, die seiner Persönlichkeit entspricht. Hier können kleine Kinder Reißverschluss-Zumachen oder Klettern üben und ihre Eltern erfahren, warum es so wichtig ist, Kindern Zeit dabei zu lassen. Im Kindergarten-Modellraum finden sich auch zahlreiche Anregungen für Erzieher, Erzieherinnen und Eltern.
[caption id="attachment_1504" align="alignleft" width="225" caption="Schloss Britz, Parkseite, © Katia Hermann"][/caption]Nach der erfolgreichen Hundertwasser-Ausstellung im Frühjahr letzten Jahres, die das grafische Werk des Wieners präsentierte, folgte eine thematische Ausstellung zum Thema Kunstfälschungen mit Werken von Picasso, Dali, Chagall und anderen bekannten Künstlern des 20. Jahrhunderts neben Fälschungen aus dem Archiv des Landeskriminalamts.
Seit dem 6.Mai 2009 widmet sich die Stiftung einer Wanderausstellung für Kinder: die von Pädagogen, Künstlern, Designern und Kindern des Vereins Mit allen Sinnen lernen e.V. gestalteten Schau „Vielfalt!“, eine Mitmach-Ausstellung zur Toleranz. Sie soll zur Förderung der Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung von Anderen beitragen. Unterstützt wurde das Projekt durch die Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin und spricht Kitas, Schulen und Eltern an, den Kindern diese Schau zu zeigen.
Im rechten Flügel des Schlosses aus dem 18. Jahrhundert sowie in Räumlichkeiten auf dem historischen Gutshof mit neuer Tierhaltung, finden reflexive, kreative und humorvolle Mitmach-Aktionen für Kinder von 2 bis 12 Jahren statt. Sie fordern auf, den Wert der Verschiedenheit der Menschen und der Unterschiedlichkeiten in der Natur und in den Dingen zu erforschen. Zur Schulung der Sinne gibt es Kuscheliges und Kratziges anzufassen oder unsichtbare Hände zu ertasten. Eine lustige, originelle sowie reichhaltige Unterhaltung für jung und alt.
Die Gefühle anderer richtig zu deuten, ist gar nicht so einfach. Mit dem Gefühle-Dreh-Puzzle können die Kinder ausprobieren, wie sich Augen, Mund und Nase verändern, wenn jemand ängstlich oder ärgerlich ist. Welches Kind kennt nicht die Situation, dass es nicht mitspielen darf? Verschiedene Möglichkeiten, wie man auf Ausgrenzung reagieren kann, spielen die Kinder anhand von Fotogeschichten durch.
[caption id="attachment_1503" align="alignleft" width="300" caption="Ausstellungsbau Vielfalt"][/caption]Der Abschnitt „Vielfalt der Entwicklung“ zeigt, dass jeder Mensch anders ist und ein Recht auf eine Entwicklung hat, die seiner Persönlichkeit entspricht. Hier können kleine Kinder Reißverschluss-Zumachen oder Klettern üben und ihre Eltern erfahren, warum es so wichtig ist, Kindern Zeit dabei zu lassen. Im Kindergarten-Modellraum finden sich auch zahlreiche Anregungen für Erzieher, Erzieherinnen und Eltern.
07/05/2009
Verbot: „Our body-à corps ouvert“ in Paris musste räumen
Das gerichtliche Gerangel um die Plastinationsausstellung „Our body - à corps ouvert“ endete am 21. April 2009 in Paris mit einem Schnellgerichtsurteil. Das Pariser Landsgericht verbot die heftig umstrittene Schau. Doch die Firma „Encore Events“ legte Berufung ein und erklärte, es gäbe circa 20 anatomische Ausstellungen dieser Art, die in der Welt wandern und nicht verboten werden. Die Entscheidung des Appelationsgerichtshofes fiel nur 9 Tage später: das Verbot bleibt. Die Ausstellung musste geräumt werden, ihr Verbot ist ein seltener Fall in Frankreich.
[caption id="attachment_1353" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht"][/caption]„Die durch das Gesetz zugewiesene Ruhestätte einer Leiche ist der Friedhof“, hatte der Richter des Pariser Schnellgerichtshofs betont. Er ließ die Ausstellung schließen, die in 24 Stunden geräumt werden musste und die Exponate, d.h. die Körper der Ausstellung, beschlagnahmen, so lange, bis eine Lösung konform mit dem Beisetzungsrecht durch die französischen Behörden gefunden wird.
Die präparierten Leichen, die in der Pariser Ausstellung gezeigt wurden, gehören laut Aussteller der Stiftung „Anatomical Sciences and Technologie“ in Hong Kong, die sie legal gespendet haben soll. Die Spender oder die Angehörigen sollen zur Körperspende eingewilligt haben. Der Ausstellungsorganisator, die Firma „Encore Events“, hatte eine Konvention mit dieser Stiftung unterzeichnet. Doch diese beweist nicht die Einwilligung der Verstorbenen, sagte der Anwalt der zwei klagenden Verbände "Solidarité Chine" und "Ensemble contre la peine de mort".
„In China gibt es einen illegalen, verbreiteten Handel mit Leichen, Körperteilen und Organen“ fügte der Anwalt hinzu, das simple Papier einer chinesischen Stiftung ohne Sitz oder Telefonnummer reiche als Beweis nicht aus. Die Stiftung „Anatomical Sciences and Technologie“ sei zudem im medizinischen Kreise unbekannt.
Einer der Anwälte der angeklagten Firma behauptet, die Entscheidung des Richters müsse dann auch dazu führen jegliche Ausstellung zu schließen, die Mumien oder Fötusse in Gläsern zeigt. Ganze Räume des Pariser Musée de l´Homme wären dann betroffen und müssten schließen. Oder, fügte der Geschäftsführer der Firma Pascal Bernardin hinzu, die Ecorchés des Anatomisten Honoré Fragonard im Museum der Tierarztschule in Maisons-Alfort. Der Museumsdirektor in Maisons-Alfort äußerte darauf: „Diese Körper, die Ecorchés des 18. Jahrhunderts, spiegeln einen Moment der anatomischen Wissenschaftsgeschichte wieder. Die Körper stammten aus Hospizen, sie wurden für die Lehre hergestellt. Die ethische Abweichung ist radikal“.
In seinem Urteil hatte der Richter erwogen, dass die Leichen-Ausstellung dem Respekt des menschlichen Körpers schade. Die Inszenierung der zerschnittenen Leichen, teilweise gefärbt oder in bestimmten Positionen dargestellt sei eine Verletzung des Anstands. Er berief sich auf ein Gesetz von Dezember 2008, indem die Rechte für den Schutz des Menschen auch für die von Leichen gültig gemacht wurden. Der Staatanwalt sagte, das Gesetz verbiete Konventionen die Körperhandel beinhalten. Die Kommerzia-lisierung sei eine offensichtliche Verletzung des Respekts der Toten. Der private Besitz von Leichen ist verboten. Jeder Tote hat Anrecht auf eine Bestattung, außer wenn medizinische Gründe vorliegen.
Bis zu 120 000 Besucher sahen die Pariser Ausstellung. Sie sollte bis Mai andauern und weiterwandern. Vor Paris war sie in Frankreich in Marseille und Lyon zu sehen. Doch die französische Justiz machte nun einen Strich durch die Rechnung.
Diese Art von „Leichen-Ausstellungen“ touren weltweit friedlich weiter, wie die von dem Erfinder des Plastinationsverfahren Gunther van Hagen, die ab 7. Mai in Berlin zu sehen ist. Das Thema und der Titel dieser 2. Ausgabe in Berlin: Körperwelten & der Zyklus des Lebens. Ausgerechnet das Leben wird mit Toten inszeniert. Die vieldiskutierte Leicheninszenierung hatte vor 8 Jahren in Berlin bis zu 1,43 Millionen Besucher angelockt und wurde bis jetzt nie verboten. Das erste Verbot dieser Art präparierter Leichen-Ausstellungen deklariert das Land der kulturellen Toleranz und der Menschenrechte.
[caption id="attachment_1353" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht"][/caption]„Die durch das Gesetz zugewiesene Ruhestätte einer Leiche ist der Friedhof“, hatte der Richter des Pariser Schnellgerichtshofs betont. Er ließ die Ausstellung schließen, die in 24 Stunden geräumt werden musste und die Exponate, d.h. die Körper der Ausstellung, beschlagnahmen, so lange, bis eine Lösung konform mit dem Beisetzungsrecht durch die französischen Behörden gefunden wird.
Die präparierten Leichen, die in der Pariser Ausstellung gezeigt wurden, gehören laut Aussteller der Stiftung „Anatomical Sciences and Technologie“ in Hong Kong, die sie legal gespendet haben soll. Die Spender oder die Angehörigen sollen zur Körperspende eingewilligt haben. Der Ausstellungsorganisator, die Firma „Encore Events“, hatte eine Konvention mit dieser Stiftung unterzeichnet. Doch diese beweist nicht die Einwilligung der Verstorbenen, sagte der Anwalt der zwei klagenden Verbände "Solidarité Chine" und "Ensemble contre la peine de mort".
„In China gibt es einen illegalen, verbreiteten Handel mit Leichen, Körperteilen und Organen“ fügte der Anwalt hinzu, das simple Papier einer chinesischen Stiftung ohne Sitz oder Telefonnummer reiche als Beweis nicht aus. Die Stiftung „Anatomical Sciences and Technologie“ sei zudem im medizinischen Kreise unbekannt.
Einer der Anwälte der angeklagten Firma behauptet, die Entscheidung des Richters müsse dann auch dazu führen jegliche Ausstellung zu schließen, die Mumien oder Fötusse in Gläsern zeigt. Ganze Räume des Pariser Musée de l´Homme wären dann betroffen und müssten schließen. Oder, fügte der Geschäftsführer der Firma Pascal Bernardin hinzu, die Ecorchés des Anatomisten Honoré Fragonard im Museum der Tierarztschule in Maisons-Alfort. Der Museumsdirektor in Maisons-Alfort äußerte darauf: „Diese Körper, die Ecorchés des 18. Jahrhunderts, spiegeln einen Moment der anatomischen Wissenschaftsgeschichte wieder. Die Körper stammten aus Hospizen, sie wurden für die Lehre hergestellt. Die ethische Abweichung ist radikal“.
In seinem Urteil hatte der Richter erwogen, dass die Leichen-Ausstellung dem Respekt des menschlichen Körpers schade. Die Inszenierung der zerschnittenen Leichen, teilweise gefärbt oder in bestimmten Positionen dargestellt sei eine Verletzung des Anstands. Er berief sich auf ein Gesetz von Dezember 2008, indem die Rechte für den Schutz des Menschen auch für die von Leichen gültig gemacht wurden. Der Staatanwalt sagte, das Gesetz verbiete Konventionen die Körperhandel beinhalten. Die Kommerzia-lisierung sei eine offensichtliche Verletzung des Respekts der Toten. Der private Besitz von Leichen ist verboten. Jeder Tote hat Anrecht auf eine Bestattung, außer wenn medizinische Gründe vorliegen.
Bis zu 120 000 Besucher sahen die Pariser Ausstellung. Sie sollte bis Mai andauern und weiterwandern. Vor Paris war sie in Frankreich in Marseille und Lyon zu sehen. Doch die französische Justiz machte nun einen Strich durch die Rechnung.
Diese Art von „Leichen-Ausstellungen“ touren weltweit friedlich weiter, wie die von dem Erfinder des Plastinationsverfahren Gunther van Hagen, die ab 7. Mai in Berlin zu sehen ist. Das Thema und der Titel dieser 2. Ausgabe in Berlin: Körperwelten & der Zyklus des Lebens. Ausgerechnet das Leben wird mit Toten inszeniert. Die vieldiskutierte Leicheninszenierung hatte vor 8 Jahren in Berlin bis zu 1,43 Millionen Besucher angelockt und wurde bis jetzt nie verboten. Das erste Verbot dieser Art präparierter Leichen-Ausstellungen deklariert das Land der kulturellen Toleranz und der Menschenrechte.
23/04/2009
Der Einzelgänger Otto Mueller in der Galerie Nierendorf
Die am Freitag startende Ausstellung in der Galerie Nierendorf zeigt einen Querschnitt des Gesamtwerkes des bekannten deutschen Künstlers Otto Mueller (1874-1930). Seit 1920 vertritt die renommierte Galerie im Westen Berlins den Einzelgänger unter den Brücke-Künstlern (zu sehen vom 24. April - 9. Oktober 2009).
Das erste Mal zeigte die Galerie Nierendorf 1927 Farblithografien des Künstlers, nur einige Blätter aus der Zigeuner-Serie. Seit dem Neubeginn der Galerie 1955 ist das Werk Otto Muellers ein zentrales Anliegen der Tätigkeiten des Galeristen Florian Karsch. Als leidenschaftlicher Sammler der Grafik publizierte er 1974 das grafische Gesamtwerk des Künstlers als Ausstellungskatalog zu Muellers 100. Geburtstag, ein wichtiges Nachschlagewerk zu Otto Muellers Schaffen. Seit 1957 gab es sieben Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie Nierendorf. Dies ist nun die 8. „Ausgabe“.
Das erste Mal zeigte die Galerie Nierendorf 1927 Farblithografien des Künstlers, nur einige Blätter aus der Zigeuner-Serie. Seit dem Neubeginn der Galerie 1955 ist das Werk Otto Muellers ein zentrales Anliegen der Tätigkeiten des Galeristen Florian Karsch. Als leidenschaftlicher Sammler der Grafik publizierte er 1974 das grafische Gesamtwerk des Künstlers als Ausstellungskatalog zu Muellers 100. Geburtstag, ein wichtiges Nachschlagewerk zu Otto Muellers Schaffen. Seit 1957 gab es sieben Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie Nierendorf. Dies ist nun die 8. „Ausgabe“.
14/04/2009
Vielbeachtung für Graffiti-Ausstellung in Paris
„Tag“ - Ausstellung vom 27. März bis 26. April 2009 im Grand Palais, Paris
Die einmalige private Sammlung des Architekten Gallizia umfasst 300 Arbeiten von 150 Graffiti-Künstlern aus drei Generationen, aus aller Welt und versucht die Stilgeschichte des Graffitis zu erfassen. Die Sammlung wird nur einen Monat lang in einem der renommiertesten Ausstellungsorte in Paris gezeigt: in einem Seitenflügel des Grand Palais.
[caption id="attachment_1094" align="alignleft" width="247" caption="Katalog zur Ausstellung © K. Hermann"][/caption]
Graffiti erscheinen in einer Vielzahl von Ausprägungsformen. Bei den in Paris ausgestellten Werken handelt es sich um Auftragsarbeiten auf Leinwand. Die Größe der Leinwände und das Thema wurden von dem Architekten Alain-Dominique Gallizia, Liebhaber der Graffitikunst und Initiator des Projektes vorgeschrieben. Auf 60 x 180 cm durften sich die sogenannten internationalen Writer zum Thema und zum Wort Love austoben, wenn möglich in Gallizias Banlieue-Atelier in Boulogne-Billancourt bei Paris.
Durch die thematische Vorgabe sowie die definierte Fläche wurde den auserwählten Künstlern Schranken gesetzt, die sie im Ausüben ihrer Kunst selten erleben. Der Writer musste hier auf kleiner Fläche seinen eigenen Stil klar definieren und seine „Handschrift“ deutlich erkennbar machen. Die Leinwand ist unten links durch das Signaturkürzel oder Pseudonym, das „Tag“ signiert und das eindeutig den Autor identifiziert. Daher vielleicht auch der Titel der Ausstellung, der zur Konfusion führt: Tag und nicht Graffiti. Tag steht hier sicherlich nicht für den falsch angewendeten Allgemeinbegriff für Graffiti, sondern für die Signatur der Autoren, die hier geehrt werden sollen. Durch die Ansammlung der Werke entsteht ein Panorama verschiedener Stile und Techniken, die Künstler aus verschiedenen Ländern und Kulturen auf der Leinwand „verewigen“.
Denn das war auch das Anliegen des Initiators: Die Sammlung soll durch die Auswahl der renommiertesten Graffiti-Künstler einen Überblick, ein verständliches Bild der Graffiti-Bewegung geben. Es ist ein historisches Dokument dieser weltweiten kulturellen Bewegung, die eine der vier Elemente der Hip Hop Bewegung darstellt, denn schließlich begleiten Writer DJs, B Boys und MC´s. Von den old school Veteranen der New Yorker subway, die erste Welle europäischer Graffitikünstler bis hin zu den jüngsten Innovatoren des Genre, sind drei Generationen vertreten. Die Sammlung soll sich weiterhin für neue, aufkommende Talente öffnen.
[caption id="attachment_1096" align="alignleft" width="315" caption="Paris (Cantwo Darco) 1994©ADAGP, Darco, Paris - All rights reserved"][/caption]
Darco, ein deutsch-französischer Writer aus Paris, ist auch unter den Auserwählten. Seit 1984 sprüht er in und bei Paris, seit langem bekannt für seine rigorosen Schriftzüge und Buchstaben. Er ist mit seiner Gruppe FBI einer der Ersten in Frankreich, die sich um den Künstlerstatus von früh an bemühten. Heute ist er ein international anerkannter Pionier. Er sprüht im öffentlichen Raum sowie auf Leinwände, und dies schon von Anfang an. Er entwirft Bühnenbilder, Schmuck, Accessoires und Textilien und lebt von Auftragsarbeiten.
Darco wurde vor zwei Jahren von einem Mitarbeiter Gallizias kontaktiert, um ein existierendes Werk zu kaufen. Dann kam der Auftrag für die Sammlung und er schuf im Atelier von Gallizia sein Werk auf der bereitgestellten Leinwand, die er als Hochformat entwarf und in der Ausstellung als Querformat unter den weiteren querformatigen Exponaten hängt.
[caption id="attachment_1095" align="alignleft" width="300" caption="Bookcover © ADAGP, DARCO, Paris"][/caption]
Für Darco war das Anliegen zwiespältig. Anfangs hieß, nur die Sprühtechnik solle benutzt werden. Dann wurden aber auch Mischtechniken von anderen Künstlern angewandt und akzepziert. Darco denkt, es wäre interessanter gewesen, strengere Vorgaben zu machen: Nur sprühen, also nur mit Sprühdosen und nur mit einer bestimmten Anzahl von Farben.
Seine Motivation an diesem Projekt teilzunehmen lag darin, mit der Ausstellung ein breites Publikum in dem Prestige-Rahmen des Grand Palais erreichen zu wollen. Natürlich findet er das Projekt als solches gut, denn es wird über die Bewegung gesprochen und erhält Aufsehen. Zur Frage ob der Querschnitt der Geschichte des Graffiti mit dieser Ausstellung gelungen ist, antwortet uns Darco in einem Gespräch: „Es ist eine grosse Palette vertreten, es ist aber nur eine Facette, denn einige wichtigen Künstler fehlen, weil sie vielleicht unauffindbar waren oder nicht teilnehmen wollten. Es ist auch unmöglich, mehr als 40 Jahre Graffiti-Geschichte anhand von 300 Werken auf Leinwand von 150 Künstlern zu erzählen. Die Gestaltung der Ausstellung ist auch nicht wirklich gelungen, sie wurde von jemandem kuratiert, der außerhalb der Bewegung steht. Sie ist ein Patchwork, indem die einzelnen Werke leider untergehen.“
[caption id="attachment_1097" align="alignleft" width="300" caption="Berliner Mauer (Odem Darco Bomber Loomit) 1993© ADAGP, DARCO, Paris"][/caption]
Die Ausstellung verliert durch den länglichen Saal und das dichte Hängen der gleichformatigen Leinwände bedauerlicherweise an Qualität. Den Katalog zur Ausstellung sollte man dennoch loben, denn er ist und wird auch eines der wichtigsten Nachschlagewerke dieses Genre der street art.
Die Ausstellung soll in die wichtigsten Museen der Welt wandern. Vielleicht wird sie in Zukunft in Berlin zu sehen sein, wenn ein Museum den Mut hat sich so wie der Grand Palais dem heiß diskutierten Thema mit der Frage zu stellen, ob Graffiti Kunst sei. Die Besucher schreckt die umstrittene wie vieldiskutierte Ausstellung nicht ab, sie kommen zahlreich.
Die einmalige private Sammlung des Architekten Gallizia umfasst 300 Arbeiten von 150 Graffiti-Künstlern aus drei Generationen, aus aller Welt und versucht die Stilgeschichte des Graffitis zu erfassen. Die Sammlung wird nur einen Monat lang in einem der renommiertesten Ausstellungsorte in Paris gezeigt: in einem Seitenflügel des Grand Palais.
[caption id="attachment_1094" align="alignleft" width="247" caption="Katalog zur Ausstellung © K. Hermann"][/caption]
Graffiti erscheinen in einer Vielzahl von Ausprägungsformen. Bei den in Paris ausgestellten Werken handelt es sich um Auftragsarbeiten auf Leinwand. Die Größe der Leinwände und das Thema wurden von dem Architekten Alain-Dominique Gallizia, Liebhaber der Graffitikunst und Initiator des Projektes vorgeschrieben. Auf 60 x 180 cm durften sich die sogenannten internationalen Writer zum Thema und zum Wort Love austoben, wenn möglich in Gallizias Banlieue-Atelier in Boulogne-Billancourt bei Paris.
Durch die thematische Vorgabe sowie die definierte Fläche wurde den auserwählten Künstlern Schranken gesetzt, die sie im Ausüben ihrer Kunst selten erleben. Der Writer musste hier auf kleiner Fläche seinen eigenen Stil klar definieren und seine „Handschrift“ deutlich erkennbar machen. Die Leinwand ist unten links durch das Signaturkürzel oder Pseudonym, das „Tag“ signiert und das eindeutig den Autor identifiziert. Daher vielleicht auch der Titel der Ausstellung, der zur Konfusion führt: Tag und nicht Graffiti. Tag steht hier sicherlich nicht für den falsch angewendeten Allgemeinbegriff für Graffiti, sondern für die Signatur der Autoren, die hier geehrt werden sollen. Durch die Ansammlung der Werke entsteht ein Panorama verschiedener Stile und Techniken, die Künstler aus verschiedenen Ländern und Kulturen auf der Leinwand „verewigen“.
Denn das war auch das Anliegen des Initiators: Die Sammlung soll durch die Auswahl der renommiertesten Graffiti-Künstler einen Überblick, ein verständliches Bild der Graffiti-Bewegung geben. Es ist ein historisches Dokument dieser weltweiten kulturellen Bewegung, die eine der vier Elemente der Hip Hop Bewegung darstellt, denn schließlich begleiten Writer DJs, B Boys und MC´s. Von den old school Veteranen der New Yorker subway, die erste Welle europäischer Graffitikünstler bis hin zu den jüngsten Innovatoren des Genre, sind drei Generationen vertreten. Die Sammlung soll sich weiterhin für neue, aufkommende Talente öffnen.
[caption id="attachment_1096" align="alignleft" width="315" caption="Paris (Cantwo Darco) 1994©ADAGP, Darco, Paris - All rights reserved"][/caption]
Darco, ein deutsch-französischer Writer aus Paris, ist auch unter den Auserwählten. Seit 1984 sprüht er in und bei Paris, seit langem bekannt für seine rigorosen Schriftzüge und Buchstaben. Er ist mit seiner Gruppe FBI einer der Ersten in Frankreich, die sich um den Künstlerstatus von früh an bemühten. Heute ist er ein international anerkannter Pionier. Er sprüht im öffentlichen Raum sowie auf Leinwände, und dies schon von Anfang an. Er entwirft Bühnenbilder, Schmuck, Accessoires und Textilien und lebt von Auftragsarbeiten.
Darco wurde vor zwei Jahren von einem Mitarbeiter Gallizias kontaktiert, um ein existierendes Werk zu kaufen. Dann kam der Auftrag für die Sammlung und er schuf im Atelier von Gallizia sein Werk auf der bereitgestellten Leinwand, die er als Hochformat entwarf und in der Ausstellung als Querformat unter den weiteren querformatigen Exponaten hängt.
[caption id="attachment_1095" align="alignleft" width="300" caption="Bookcover © ADAGP, DARCO, Paris"][/caption]
Für Darco war das Anliegen zwiespältig. Anfangs hieß, nur die Sprühtechnik solle benutzt werden. Dann wurden aber auch Mischtechniken von anderen Künstlern angewandt und akzepziert. Darco denkt, es wäre interessanter gewesen, strengere Vorgaben zu machen: Nur sprühen, also nur mit Sprühdosen und nur mit einer bestimmten Anzahl von Farben.
Seine Motivation an diesem Projekt teilzunehmen lag darin, mit der Ausstellung ein breites Publikum in dem Prestige-Rahmen des Grand Palais erreichen zu wollen. Natürlich findet er das Projekt als solches gut, denn es wird über die Bewegung gesprochen und erhält Aufsehen. Zur Frage ob der Querschnitt der Geschichte des Graffiti mit dieser Ausstellung gelungen ist, antwortet uns Darco in einem Gespräch: „Es ist eine grosse Palette vertreten, es ist aber nur eine Facette, denn einige wichtigen Künstler fehlen, weil sie vielleicht unauffindbar waren oder nicht teilnehmen wollten. Es ist auch unmöglich, mehr als 40 Jahre Graffiti-Geschichte anhand von 300 Werken auf Leinwand von 150 Künstlern zu erzählen. Die Gestaltung der Ausstellung ist auch nicht wirklich gelungen, sie wurde von jemandem kuratiert, der außerhalb der Bewegung steht. Sie ist ein Patchwork, indem die einzelnen Werke leider untergehen.“
[caption id="attachment_1097" align="alignleft" width="300" caption="Berliner Mauer (Odem Darco Bomber Loomit) 1993© ADAGP, DARCO, Paris"][/caption]
Die Ausstellung verliert durch den länglichen Saal und das dichte Hängen der gleichformatigen Leinwände bedauerlicherweise an Qualität. Den Katalog zur Ausstellung sollte man dennoch loben, denn er ist und wird auch eines der wichtigsten Nachschlagewerke dieses Genre der street art.
Die Ausstellung soll in die wichtigsten Museen der Welt wandern. Vielleicht wird sie in Zukunft in Berlin zu sehen sein, wenn ein Museum den Mut hat sich so wie der Grand Palais dem heiß diskutierten Thema mit der Frage zu stellen, ob Graffiti Kunst sei. Die Besucher schreckt die umstrittene wie vieldiskutierte Ausstellung nicht ab, sie kommen zahlreich.
06/04/2009
"Our body - à corps ouvert", umstrittene Ausstellung in Paris
Seit Februar ist die Ausstellung „Our body – à corps ouvert“ an einem neu eröffneten Ausstellungsort von circa 1200 m2, dem Espace 12 Madeleine, mitten in Paris zu sehen. Ähnlich der „Körperwelten-Ausstellung“, die in vielen Ländern der Welt mit über 30 Millionen Besuchern für Schlagzeilen sorgte und momentan in Heidelberg zu sehen ist, ist diese bis 10. Mai andauernde Schau in Paris höchst umstritten, um die ein gerichtliches Gerangel begonnen hat.
[caption id="attachment_1061" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert"][/caption]Der durch die erste sensationelle Ausstellung dieser Art bekannte Name Gunther von Hagens, Erfinder des Plastinationsverfahren in den 80er Jahren und Initiator der "Körperwelten" wird hier in der Pariser Ausstellung nirgendwo erwähnt, es scheint sich um eine Nachahmer-Ausstellung zu handeln, auf die das Institut für Plastination bei Heidelberg auf ihrer Internetseite hinweist und sich auch distanziert.
Pariser Museen wie das Musée de l´homme oder die Cité des Sciences wollten diese Ausstellung aus ethischen Gründen nicht haben. So fand sich ein privates Unternehmen für das Projekt. Der Organisator der Pariser Ausstellung, Pascal Bernardin, Direktor der Firma Encore Events, entdeckte die Ausstellung 2004 in den USA und brachte sie nach Frankreich. Er lobt die pädagogische Angehensweise dieser für ihn wissenschaftlich wichtigen Ausstellung, sowie die hohe Qualität der Präsentation. Nach Lyon und Marseille ist sie nun endlich in der Hauptstadt angekommen.„Our Body – à corps ouvert“ soll den Besuchern neues Wissen über Anatomie und Körperfunktionen geben und sie lehren, ihre Gesundheit wieder mehr zu schätzen. Sie soll im Rahmen der „Grande cause nationale 2009“ (Großer nationaler Anlass 2009) für die Organspende werben und ab Juni in den Parc Floral in Vincennes bei Paris wandern.
Die 17 ausgestellten Ganzkörper-Plastinate oder Teile stammen angeblich aus China. Sie wurden in Positionen verewigt, die einen Teil von Franzosen schocken: als Bogenschießer, Basketball- oder Schachspieler. In theatralischem Licht, auf Podesten oder in Vitrinen werden sie wie kostbare Museumsstücke zur Geltung gebracht. Für viele einfach nur makaber, trotz anatomischem Interesse, Texttafeln und Erklärungen.
[caption id="attachment_1062" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert"][/caption]Nach dem Organisator zu urteilen, stammen die Körper von der Stiftung Anatomical Sciences and Technology in Hong Kong, die Plastinate herstellen und mit sämtlichen Zertifikaten geliehen wurden. Doch für viele ist die Herkunft chinesischer Körper mysteriös.
Nun haben zwei Verbände für die Verteidigung der Menschenrechte geklagt: Wird der Respekt des menschlichen Körpers, der nicht mit dem Tod endet, wie es im französischen Bürgerlichen Gesetzbuch (Code civil 16-1) steht, hier eingehalten? Der Verein „Gemeinsam gegen die Todesstrafe und Solidarität mit China“ behauptet, dass es kaum Organspender in China gibt. Die Angehörigen der Verstorbenen haben wohl kaum ihr Einverständnis gegeben. Vielleicht handelt es sich bei den Körpern um ermordete Chinesen. Noch heute werden jährlich bis zu 6 000 Menschen in China zur Todesstrafe verurteilt und hingerichtet und deren Körper nicht den Angehörigen zurückgegeben werden.
Die Ankläger wollen die Ausstellung verboten sehen. Denn mit über 15 € Eintritt, klagen sie, handele es, abgesehen von der umstrittenen Frage der Herkunft der Körper, um ein kommerzielles Event, welches als „künstlerisch und pädagogisch“ gelten soll und in den Augen vieler Kritiker keinen wissenschaftlichen Charakter hat.
Am 9. April soll das Urteil gesprochen werden. Im Land der Menschenrechte wird es mit Spannung erwartet.
[caption id="attachment_1061" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert"][/caption]Der durch die erste sensationelle Ausstellung dieser Art bekannte Name Gunther von Hagens, Erfinder des Plastinationsverfahren in den 80er Jahren und Initiator der "Körperwelten" wird hier in der Pariser Ausstellung nirgendwo erwähnt, es scheint sich um eine Nachahmer-Ausstellung zu handeln, auf die das Institut für Plastination bei Heidelberg auf ihrer Internetseite hinweist und sich auch distanziert.
Pariser Museen wie das Musée de l´homme oder die Cité des Sciences wollten diese Ausstellung aus ethischen Gründen nicht haben. So fand sich ein privates Unternehmen für das Projekt. Der Organisator der Pariser Ausstellung, Pascal Bernardin, Direktor der Firma Encore Events, entdeckte die Ausstellung 2004 in den USA und brachte sie nach Frankreich. Er lobt die pädagogische Angehensweise dieser für ihn wissenschaftlich wichtigen Ausstellung, sowie die hohe Qualität der Präsentation. Nach Lyon und Marseille ist sie nun endlich in der Hauptstadt angekommen.„Our Body – à corps ouvert“ soll den Besuchern neues Wissen über Anatomie und Körperfunktionen geben und sie lehren, ihre Gesundheit wieder mehr zu schätzen. Sie soll im Rahmen der „Grande cause nationale 2009“ (Großer nationaler Anlass 2009) für die Organspende werben und ab Juni in den Parc Floral in Vincennes bei Paris wandern.
Die 17 ausgestellten Ganzkörper-Plastinate oder Teile stammen angeblich aus China. Sie wurden in Positionen verewigt, die einen Teil von Franzosen schocken: als Bogenschießer, Basketball- oder Schachspieler. In theatralischem Licht, auf Podesten oder in Vitrinen werden sie wie kostbare Museumsstücke zur Geltung gebracht. Für viele einfach nur makaber, trotz anatomischem Interesse, Texttafeln und Erklärungen.
[caption id="attachment_1062" align="alignleft" width="200" caption="Ausstellungsansicht © Our body-à corps ouvert"][/caption]Nach dem Organisator zu urteilen, stammen die Körper von der Stiftung Anatomical Sciences and Technology in Hong Kong, die Plastinate herstellen und mit sämtlichen Zertifikaten geliehen wurden. Doch für viele ist die Herkunft chinesischer Körper mysteriös.
Nun haben zwei Verbände für die Verteidigung der Menschenrechte geklagt: Wird der Respekt des menschlichen Körpers, der nicht mit dem Tod endet, wie es im französischen Bürgerlichen Gesetzbuch (Code civil 16-1) steht, hier eingehalten? Der Verein „Gemeinsam gegen die Todesstrafe und Solidarität mit China“ behauptet, dass es kaum Organspender in China gibt. Die Angehörigen der Verstorbenen haben wohl kaum ihr Einverständnis gegeben. Vielleicht handelt es sich bei den Körpern um ermordete Chinesen. Noch heute werden jährlich bis zu 6 000 Menschen in China zur Todesstrafe verurteilt und hingerichtet und deren Körper nicht den Angehörigen zurückgegeben werden.
Die Ankläger wollen die Ausstellung verboten sehen. Denn mit über 15 € Eintritt, klagen sie, handele es, abgesehen von der umstrittenen Frage der Herkunft der Körper, um ein kommerzielles Event, welches als „künstlerisch und pädagogisch“ gelten soll und in den Augen vieler Kritiker keinen wissenschaftlichen Charakter hat.
Am 9. April soll das Urteil gesprochen werden. Im Land der Menschenrechte wird es mit Spannung erwartet.
20/03/2009
Charlotte Roches Bestseller endlich auch "Zones humides"
Der Bestseller von Charlotte Roches „Feuchtgebiete” erschien am 6. März in Frankreich. Die Rechte wurden an 27 Länder verkauft, nun darf Frankreich das Buch lesen. Hervorragend übersetzt von Claire de Oliveira („Avidité“ von Elfriede Jelinek; Preis Gérard de Nerval für literarische Übersetzungen 2004) erschien „Zones humides“ in einer Auflage von zunächst 27 000 Exemplaren.
Deutschland hat die Diskussion um „Feuchtgebiete” und den erstaunlichen Erfolg eines anrüchigen Romans überstanden. Nun steht Frankreich vor einer Debatte über „Hämorrhoiden und Körperflüssigkeiten“, über die Selbsterkundung der weiblichen Körperhöhlen und den Sinn von Intimrasuren, aber womöglich nur, wenn das Buch den gleichen Erfolg haben wird.
Der deutsch-französische Kultursender Arte versuchte am Abend zuvor, am 5. März mit der Doku „Feuchtgebiete erforschen” zu erkunden, wie unsere Nachbarn auf die Überschreitung der Ekelgrenzen reagieren werden und welche unterschiedlichen Wahrnehmungen die Deutschen und Franzosen haben, sei es auf gesellschaftlicher Ebene oder aus der Sicht der Frau.
„Die Franzosen sind viel schamhafter als die Deutschen”, konstatiert etwa Schriftsteller Frédéric Beigbeder, der sich auf die Seite der Autorin schlägt. „Sie bekämpft genau wie ich die Werbung.” Fernsehstar Harald Schmidt sagt, er nennt den Roman einen „Schlag in die Perfektionsmaschine einer Heidi Klum”.
Die Französinnen werden in der Heimat der großen Couturiers mehr als die Deutschen vom Druck der Modewerbung beeinflusst, in der kein überflüssiges Körperhaar und kein Pickelchen zu sehen sein darf. Und die Franzosen verhalten sich schamhafter, in den öffentlichen Duschen von Schwimmbädern, z.B. ziehen sie nicht den Badeanzug aus. „Zones humides” dürfte es schwerer haben, das Herz der Franzosen zu erobern. Denn während Deutschland das Gesicht von Charlotte Roche aus dem Fernsehen und den Medien schon kannte, ist sie in Frankreich unbekannt.
[caption id="attachment_903" align="alignright" width="300" caption="Charlotte Roche © K.Hermann "][/caption]
Roches Themen erschrecken die Franzosen nicht sonderlich. Als „pornografische“ Bücher mit gewagtem Inhalt sind „Lolita“ von Vladimir Nabokov und “Der Dieb“ von Jean Genet in Erinnerung. Anais Nins „Das Delta der Venus“, auch Gustave Flauberts „Madame Bovary“ sowie die Wendekreise von Henry Miller haben für literarische Sensationen, Verurteilungen und zum Teil für Verbote gesorgt. Charlotte Roche wird so schnell keine Französin und keinen Franzosen „moralisch“ erschüttern.
Das Buch wird in Frankreich von einer aufwendigen Werbekampagne begleitet. Das Cover zeigt hier ein verschwommenes Frauengesicht, gar sinnlicher als die deutsche Version mit Pflaster. Die französische Presse reagierte schon damals auf den unglaublichen Erfolg in Deutschland, nun berichten Tageszeitungen, aber vor allem Modezeitschriften über „Zones humides“.
Das berühmte „Elle-Magazin“ veröffentlichte am Tag der Herausgabe einen langen Artikel, indem Charlotte Roche als eine Autorin voller Humor und Talent gelobt wird. Aussagen wie: „Wäre ich nicht so verklemmt, hätte ich nie das Bedürfnis gehabt so einen Text zu schreiben“ und Erläuterungen zu ihrer Biografie bezeugen ein intimes Gespräch zwischen Elle-Journalistin und Autorin. Bei den vielen Lesern und vor allem Leserinnen der Zeitschrift, ist die Vorstellung der Bestseller-Autorin eine vorzügliche Werbelokomotive für das Buch.
Leider konnte die Autorin nicht zur geplanten Pressekonferenz am 12. März nach Paris kommen, wo wichtige Fernsehauftritte wie z.B. bei Canal+ geplant waren.
Wir werden einige Zeit abwarten müssen, um wirklich zu erfahren, wie die Franzosen auf „Zones humides“ reagieren, denn Mundpropaganda braucht seine Zeit. Doch der Geschmack der Franzosen für Skandale, Sex und People sowie ein gewisser teils trockener, teils anzüglicher Humor passt eigentlich sehr gut zu „Zones humides“.
Deutschland hat die Diskussion um „Feuchtgebiete” und den erstaunlichen Erfolg eines anrüchigen Romans überstanden. Nun steht Frankreich vor einer Debatte über „Hämorrhoiden und Körperflüssigkeiten“, über die Selbsterkundung der weiblichen Körperhöhlen und den Sinn von Intimrasuren, aber womöglich nur, wenn das Buch den gleichen Erfolg haben wird.
Der deutsch-französische Kultursender Arte versuchte am Abend zuvor, am 5. März mit der Doku „Feuchtgebiete erforschen” zu erkunden, wie unsere Nachbarn auf die Überschreitung der Ekelgrenzen reagieren werden und welche unterschiedlichen Wahrnehmungen die Deutschen und Franzosen haben, sei es auf gesellschaftlicher Ebene oder aus der Sicht der Frau.
„Die Franzosen sind viel schamhafter als die Deutschen”, konstatiert etwa Schriftsteller Frédéric Beigbeder, der sich auf die Seite der Autorin schlägt. „Sie bekämpft genau wie ich die Werbung.” Fernsehstar Harald Schmidt sagt, er nennt den Roman einen „Schlag in die Perfektionsmaschine einer Heidi Klum”.
Die Französinnen werden in der Heimat der großen Couturiers mehr als die Deutschen vom Druck der Modewerbung beeinflusst, in der kein überflüssiges Körperhaar und kein Pickelchen zu sehen sein darf. Und die Franzosen verhalten sich schamhafter, in den öffentlichen Duschen von Schwimmbädern, z.B. ziehen sie nicht den Badeanzug aus. „Zones humides” dürfte es schwerer haben, das Herz der Franzosen zu erobern. Denn während Deutschland das Gesicht von Charlotte Roche aus dem Fernsehen und den Medien schon kannte, ist sie in Frankreich unbekannt.
[caption id="attachment_903" align="alignright" width="300" caption="Charlotte Roche © K.Hermann "][/caption]
Roches Themen erschrecken die Franzosen nicht sonderlich. Als „pornografische“ Bücher mit gewagtem Inhalt sind „Lolita“ von Vladimir Nabokov und “Der Dieb“ von Jean Genet in Erinnerung. Anais Nins „Das Delta der Venus“, auch Gustave Flauberts „Madame Bovary“ sowie die Wendekreise von Henry Miller haben für literarische Sensationen, Verurteilungen und zum Teil für Verbote gesorgt. Charlotte Roche wird so schnell keine Französin und keinen Franzosen „moralisch“ erschüttern.
Das Buch wird in Frankreich von einer aufwendigen Werbekampagne begleitet. Das Cover zeigt hier ein verschwommenes Frauengesicht, gar sinnlicher als die deutsche Version mit Pflaster. Die französische Presse reagierte schon damals auf den unglaublichen Erfolg in Deutschland, nun berichten Tageszeitungen, aber vor allem Modezeitschriften über „Zones humides“.
Das berühmte „Elle-Magazin“ veröffentlichte am Tag der Herausgabe einen langen Artikel, indem Charlotte Roche als eine Autorin voller Humor und Talent gelobt wird. Aussagen wie: „Wäre ich nicht so verklemmt, hätte ich nie das Bedürfnis gehabt so einen Text zu schreiben“ und Erläuterungen zu ihrer Biografie bezeugen ein intimes Gespräch zwischen Elle-Journalistin und Autorin. Bei den vielen Lesern und vor allem Leserinnen der Zeitschrift, ist die Vorstellung der Bestseller-Autorin eine vorzügliche Werbelokomotive für das Buch.
Leider konnte die Autorin nicht zur geplanten Pressekonferenz am 12. März nach Paris kommen, wo wichtige Fernsehauftritte wie z.B. bei Canal+ geplant waren.
Wir werden einige Zeit abwarten müssen, um wirklich zu erfahren, wie die Franzosen auf „Zones humides“ reagieren, denn Mundpropaganda braucht seine Zeit. Doch der Geschmack der Franzosen für Skandale, Sex und People sowie ein gewisser teils trockener, teils anzüglicher Humor passt eigentlich sehr gut zu „Zones humides“.
05/03/2009
BOUROUINA GALLERY: dynamisch und schön frech
Am 2. Mai 2008 eröffnete die Französin Amel Bourouina ihre BOUROUINA GALLERY in Berlin-Kreuzberg. Gegenüber dem Arbeitsamt und neben einem Supermarkt, kann man diese traumhafte Ausstellungsfläche von 200 m2 in der Charlottenstraße entdecken, wenn man die Tür in der blickundurchlässigen Fensterfront öffnet.
Von Beginn an setzen sich ihre Ausstellungen von den gewöhnlichen, klassischeren Galerie-Ausstellungen ab: sie fördert vorwiegend junge Künstler, die eine radikale und dynamische Position vertreten und öffnet ihren Raum für „thematische Experimente“.
Von Beginn an setzen sich ihre Ausstellungen von den gewöhnlichen, klassischeren Galerie-Ausstellungen ab: sie fördert vorwiegend junge Künstler, die eine radikale und dynamische Position vertreten und öffnet ihren Raum für „thematische Experimente“.
01/03/2009
Die Paris-Berlin Verbindung auf poetischem Weg
Premiere in Berlin: Der Frühling kommt und somit die Poesie! Dieses Jahr findet zum ersten Mal der „Printemps des Poètes“ (der „Frühling der Dichter“) in Berlin statt (02. bis 15. März 2009). Das Konzept dieses Festivals kommt aus der Hauptstadt Frankreichs, wo sich der Pariser Verein „Printemps des Poètes“ seit zehn Jahren für die Verbreitung und Vermittlung von Poesie einsetzt: z.B. durch Unterstützung von Dichtern bei Veröffentlichungen, Archivierung von Poesie sowie poetischen Aktionen, Ausbildung von Bibliothekaren und Lehrern.
Jedes Jahr wird zu diesem Fest der Poesie mit einem vorgegebenen Thema aufgerufen. Das Thema 2009 ist „en rires“ („darüber lachen/zum Lachen“). Und jeder kann daran teilnehmen: Privatpersonen, Schüler, Vereine, Berufsgruppen, kulturelle Institutionen. Ziel ist, dass jeder selbst zum Poesie-Botschafter wird.
In Berlin wurde der Printemps des Poètes Berlin09 von der Kulturmanagerin Catherine Launay initiiert und mit der Unterstützung der Poesie-Vermittlerin Nicola Caroli weiterentwickelt. Durch ein gutes Netzwerk, neue Kontakte und Mundpropaganda konnten sie in kurzer Zeit - ohne Sponsoren, ohne Institutionen, nur mit Hilfe ehrenamtlicher, engagierter, poesieliebender Mitarbeiter und Organisationen - mehr als 50 Aktivisten gewinnen.
Ein alternatives, spontanes Festival also, das der Lyrikliebhaber an mehreren Orten in Berlin entdecken kann und das sich als internationale und interdisziplinäre Aktion versteht. Sie will anregen, über Poesie zu reflektieren und lädt ein, unterschiedliche Vorstellungen, Auffassungen und Formen von Poesie auszudrücken: Was ist Poesie? Was kann Poesie alles sein? Was ist für Euch poetisch? Wie möchtet Ihr Euch mitteilen? Wie kann sie die Menschen erreichen?
[caption id="attachment_680" align="alignleft" width="317" caption="Street Note von Cécile Belmont, Berlin"][/caption]Eine breite Palette an poetischen Aktivitäten wird angeboten: Private und öffentliche Aktionen, spontane Happenings, mehrsprachige Lesungen, Installationen, Aktionen im öffentlichen Raum oder organisierte Workshops für Jugendliche und Erwachsene sowie Ausstellungen und Veranstaltungen auch in mehreren Sprachen. Eine Aktion kann eine Minute dauern, eine einmalige Veranstaltung sein oder sich über volle zwei Wochen hinziehen.
Es können sich neben dem feststehenden Programm durchaus Parallelprogramme entwickeln: das von begeisterten Zuschauern, die selber zu Akteuren werden. Der Printemps des Poètes Berlin09 ist offen für alle und wird vielleicht – online - über den 15. März andauern.
Machen Sie mit, werden Sie selber zum Dichter: senden Sie Ihre poetischen Nachrichten per Internet auf den Poesie-Anrufbeantworter, schicken Sie Fotos von ihren Magnetbuchstaben-Gedichten auf dem Kühlschrank oder hinterlassen Sie Ihre Reime auf Notizzetteln in den Poetry Collecting Boxes an öffentlichen Orten wie Cafés, Bioläden oder Galerien im Reuterkiez, Berlin-Neukölln.
Lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf, was Poesie ist, was poetisch ist, bestimmen Sie!
Jedes Jahr wird zu diesem Fest der Poesie mit einem vorgegebenen Thema aufgerufen. Das Thema 2009 ist „en rires“ („darüber lachen/zum Lachen“). Und jeder kann daran teilnehmen: Privatpersonen, Schüler, Vereine, Berufsgruppen, kulturelle Institutionen. Ziel ist, dass jeder selbst zum Poesie-Botschafter wird.
In Berlin wurde der Printemps des Poètes Berlin09 von der Kulturmanagerin Catherine Launay initiiert und mit der Unterstützung der Poesie-Vermittlerin Nicola Caroli weiterentwickelt. Durch ein gutes Netzwerk, neue Kontakte und Mundpropaganda konnten sie in kurzer Zeit - ohne Sponsoren, ohne Institutionen, nur mit Hilfe ehrenamtlicher, engagierter, poesieliebender Mitarbeiter und Organisationen - mehr als 50 Aktivisten gewinnen.
Ein alternatives, spontanes Festival also, das der Lyrikliebhaber an mehreren Orten in Berlin entdecken kann und das sich als internationale und interdisziplinäre Aktion versteht. Sie will anregen, über Poesie zu reflektieren und lädt ein, unterschiedliche Vorstellungen, Auffassungen und Formen von Poesie auszudrücken: Was ist Poesie? Was kann Poesie alles sein? Was ist für Euch poetisch? Wie möchtet Ihr Euch mitteilen? Wie kann sie die Menschen erreichen?
[caption id="attachment_680" align="alignleft" width="317" caption="Street Note von Cécile Belmont, Berlin"][/caption]Eine breite Palette an poetischen Aktivitäten wird angeboten: Private und öffentliche Aktionen, spontane Happenings, mehrsprachige Lesungen, Installationen, Aktionen im öffentlichen Raum oder organisierte Workshops für Jugendliche und Erwachsene sowie Ausstellungen und Veranstaltungen auch in mehreren Sprachen. Eine Aktion kann eine Minute dauern, eine einmalige Veranstaltung sein oder sich über volle zwei Wochen hinziehen.
Es können sich neben dem feststehenden Programm durchaus Parallelprogramme entwickeln: das von begeisterten Zuschauern, die selber zu Akteuren werden. Der Printemps des Poètes Berlin09 ist offen für alle und wird vielleicht – online - über den 15. März andauern.
Machen Sie mit, werden Sie selber zum Dichter: senden Sie Ihre poetischen Nachrichten per Internet auf den Poesie-Anrufbeantworter, schicken Sie Fotos von ihren Magnetbuchstaben-Gedichten auf dem Kühlschrank oder hinterlassen Sie Ihre Reime auf Notizzetteln in den Poetry Collecting Boxes an öffentlichen Orten wie Cafés, Bioläden oder Galerien im Reuterkiez, Berlin-Neukölln.
Lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf, was Poesie ist, was poetisch ist, bestimmen Sie!
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